Was ist überhaupt Bauphysik?
Bauphysik beschäftigt sich mit dem analysieren von Zusammenhängen im speziellen mit den Eigenschaften und dem Verhalten von Baumaterialien. Es ist ein essentieller Grundstein in der richtigen Wahl des Aufbaues und im Abstimmen der einzelnen zu verwendenden Baustoffen. Es gliedert sich Grob in die Teile; Standsicherheit, Wärmeschutz, Feuchteschutz, Brandschutz, Schallschutz. Forschung ist immens wichtig damit es auch in der Praxis klappt. Denn vernachlässigt man Zusammenhänge und Verhalten, die durch Forschungen belegt wurden, so geht man die Gefahr ein, einen Aufbau zu wählen der im schlimmsten Fall zum Versagen der Bauteilkonstruktion führt.
In der Bauphysik gibt es einige Kenngrößen, wie z. B.:
Der R-Wert. Auch Wärmedurchlasswiderstand genannt. Das R resultiert aus dem französischen Résistance. Diese Kenngröße gibt den Wärmeverlust eines Baustoffes an und ist wichtig für eine mögliche U-Wert-Berechnung. Der R-Wert eines Baustoffes ergibt sich aus der Dicke des Werkstoffes in Metern, geteilt durch klein Lambda.
Klein Lambda. Auch als Wärmeleitfähigkeit bezeichnet, gibt Aufschluss über die Fähigkeit eines Baustoffes Energie weiter zu leiten. Je höher die Zahl ist, desto schlechter ist die Wärmeisolierung und desto besser die Leitfähigkeit. Expandiertes Polystyrol hat z. B. eine sehr geringe Zahl und dämmt daher sehr gut. Das liegt daran, dass hier sehr viel Luftanteil (ca. 95%) im Material vorhanden sind und es die Moleküle schwer haben ihre Energie an benachbarte weiter zu leiten. In vielen Produktdatenblättern sind Wärmeleitgruppen/ Wärmeleitstufen (WLG/ WLS) aufgeführt was im Endeffekt nichts anderes als der Lambda-Wert ist. WLG 040, sind letztlich 0,040 W/m*K.
Der U-Wert. Die Kenngröße für den Wärmedurchgangskoeffizienten. Ziel ist es die energetische Qualität einer Bauteilkonstruktion - nicht zu verwechseln mit einem einzigen Baustoff - in Zahlen auszudrücken. Er gibt an wie viel Energie auf 1 m² gesehen, bei einem Temperaturunterschied von 1 C° von innen nach außen pro Stunde verloren geht. Je kleiner die Zahl, desto besser ist die energetische Qualität der Konstruktion. Angegeben wird er in W/m²*K und häufig im Zusammenhang mit der Energieeinsparverordnung (EnEv) verwandt.
In vielen Produktdatenblättern findet sich auch der sd_Wert. Die wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke. Dieser Wert ist besonders wichtig für den Feuchteschutz der Bauteilkonstruktion. Er gibt an wie viele Wasserdampfmoleküle durch die Dicke des Baustoffes hindurch gehen. Oder anders ausgedrückt, wie hoch der Widerstand der Bauteilschicht ist, damit Gas es vollständig durchdrungen hat. Ein sd_Wert von 2m, bei einer Bauteildicke von 0,03m, bedeutete also, dass die Bauteildicke den gleichen Widerstand hat wie 2m freie Luft.
Es gibt natürlich noch viele andere Kenngrößen, vor allem im Zusammenspiel mit Berechnungen wie dem U-Wert, Feuchteschutz, Temperaturkurve usw. Diese alle hier abzubilden würde den Rahmen sprengen.
Dampfsperre, Dampfbremse oder feuchteadaptive - was denn nun?
Kommt drauf an! Eigentlich kommt es auf die Bauteilkonstruktion und das Zusammenspiel der darin befindlichen Schichten an. Grundsätzlich gilt eine Faustformel für die sichere Konstruktion eines Aufbaues: Innen 6 mal dichter (nicht < sd_2m) als außen. Wie wir oben schon gelernt haben, spielt der sd_Wert hier eine entscheidende Rolle. Bedeutet also, dass die Konstruktion innen von den Materialeigenschaften dichter sein muss und nach außen immer durchlässiger werden muss. Man sollte hingegen nicht dazu übergehen, es genüge, immer die Faustformel anzuwenden. Grundsätzlich ist jeder Aufbau in seine Einzelteile zu zerlegen und entsprechend zu analysieren.
Denn nur durch die Analyse kann ich zuverlässig klären ob nun eine Dampfsperre, Dampfbremse oder die feuchteadaptive von Nöten ist und vor allem mit welcher Eigenschaft. Nun ist es üblich, die Begriffe an gewisse Eigenschaften zu koppeln um sie zu definieren. Vereinfacht gesagt:
- Dampfsperre mit sd_Wert >1500m
- Dampfbremse mit sd_Wert >0,5 - <1500m
- feuchteadaptive mit variablen sd_Wert
Auch wenn die DIN 4108-3 diese Grenzwerte aufstellt habe ich zum sprachlichen Gebrauch eine andere Verwendung. In meinen Augen sind alle möglichen Kombinationen erst mal als Dampfsperre anzusehen. Diese Dampfsperren haben jedoch unterschiedliche Eigenschaften. In diesem Falle bremsende oder feuchteadaptiv (Reaktion durch Feuchtigkeit). Die Eigenschaft definiert sich über den sd_Wert und koppelt sich wieder an die Vorgaben der DIN 4108-3 jedoch durch Verwendung von diffusionsoffen, diffusionshemmend, und diffusionsdicht bez. variabel. Egal wie man es nun definieren möchte, alle haben gemeinsam dass der Feuchteschutznachweis darüber zu führen hat welcher sd_Wert wann und wo zu erfolgen hat um die Konstruktion vor unzulässigen Tauwasserausfall zu schützen.
Berechnungsverfahren, welches ist das Richtige?
Grundsätzlich unterscheiden wir das Verfahren nach Glaser und dem instationärem Verfahren.
Das Glaserverfahren. Erfunden und benannt durch Helmuth Glaser, ist es ein Berechnungsverfahren nach dem tabellarisch-grafisches Verfahren. Genormt durch die DIN 4108-3, die die Randbedingungen zur deutschlandweiten vereinheitlichem Rechnen setzt. Bedeutet egal wo in Deutschland, es wird immer mit den gleichen Randbedingungen gerechnet. Das dies nicht immer sinnvoll sein kann, sollte klar sein. Das errechnete Ergebnis kann also von der realen Bedingung abweichen, weil die falschen Randbedingungen gesetzt sind. Es bietet sich hier an Bauteilkonstruktionen auch mal mit unterschiedlichen Werten durchzuspielen um das Verhalten zu analysieren. Ebenso bleibt im Glaserverfahren unberücksichtigt:
- Speicherung von Feuchte im Material.
- Wassertransportvorgänge (auch kapillar) in Materialien.
- Wasserdampf, welcher durch Konvektion (Luftströmung) in Fugen in die Konstruktion eindringen und dort als zusätzliches Tauwasser kondensieren kann.
Es sei hier erwähnt das nicht alle Bauteilkonstruktionen zuverlässig mit dem Glaserverfahren abgebildet werden können. Insbesondere bei kritischen Konstruktionen wie Holzflachdächer mit Zwischensparrendämmung, kann dieses Verfahren zur Berechnung nicht heran gezogen werden.
Hier kommt das instationäre Verfahren ins Spiel. Das rechnergestützte Verfahren, durch Software wie z. B. WUFI kann das Verhalten von Dampfdiffusion und Flüssigtransport genauer berechnen/ berücksichtigen und somit gerade in Bezug auf kritische Situation eine bessere Abschätzung des Verhalten aufzeigen. Größter Unterschied ist das Berücksichtigen von genauen Klimadaten am Standort des Gebäudes ohne das Auskommen von vereinheitlichen Randbedingungen. So lassen sich selbst die Sonnenstunden auf einem Dach simulieren und damit verlässlicher über Rücktrocknungspotenziale aufklären. Aufgrund der doch sehr hohen Komplexität kann jedoch das Ergebnis auch verfälscht werden, wenn falsche Annahmen der Berechnung zu Grunde gelegt werden. Hier heißt es, der Anwender muss sich genaustens mit dem Programm auskennen und deren Wirkungsweise. Von einem Handwerksunternehmen sind solche Berechnungen regelmäßig nicht zu erwarten und wenn, werden sie an die Industrie verlagert.
Das böse Tauwasser
Wenn man sich mit Dachsanierungen beschäftigt wird man unweigerlich auch über den Begriff Tauwasser, Kondensation oder Tauwasserausfall fallen. Nur was ist daran so schlimm? Erst ein Mal möchte ich erklären woher Tauwasser überhaupt kommt und wie es funktioniert. Dazu ein kleines Beispiel:
Wir stellen uns einen Luftballon vor. Diesen pusten wir mit 50% Luft und ca. 50ml Wasser und verschließen ihn. Durch die Kunststoffwände des Ballon wird Gas nur sehr langsam entweichen, da deren Diffusionswiderstand recht hoch ist. Nun erwärmen wir den Ballon und das darin befindliche Wasser. Derzeit verfügt das Wasser den Aggregatzustand flüssig. Es gibt drei Zustände: flüssig, fest (eis), gasförmig. Durch das Erhitzen wechselt der Zustand von flüssig zu gasförmig. Die Luft erwärmt sich gleichermaßen. Warme Luft kann mehr Gasmoleküle aufnehmen, also reichert sich die Luft mit dem Gas an. Irgendwann ist das Wasser fast restlos verdunstet und befindet sich in der Luft. Nun stoppen wir das Erhitzen und kühlen langsam die Wände des Ballon's herunter.
Folgendes wird nun passieren: Die Luft mit der Feuchtigkeit wird an die Wände treffen und seine Temperatur verlieren. Dies führt dazu, das die angereicherten Moleküle nicht mehr in der Luft gehalten werden können. Es bildet sich Kondensat und das Gas wird wieder flüssig und läuft an den Wänden herab. Übertragen wir dies nun in die Baupraxis können wir uns annähernd erklären warum und wieso Tauwasser ausfallen kann. Durch das Nutzungsverhalten der Hausbewohner wird eine Unmenge an Gas in die Raumluft frei gesetzt. Man sagt bei einer 4 Köpfigen Familie sind es annähernd eine Badewanne voll am Tag.
Also enormes Potenzial für Bauschäden. Nur wieso? Moleküle sind immer bestrebt ein Gleichgewicht herzustellen. Bedeutet also, wenn wir im Wohnraum viele Moleküle haben, in der Dachkonstruktion/ Außen aber nicht, dann ist der Weg der Wanderung klar. Nämlich in das Bauteil. Kommt zu viel an, kann es Schäden verursachen:
- Herab setzen der Wärmespeicherung der Dämmung durch durchfeuchten des Baustoffes
- Schimmelpilz bis hin zum Hausschwamm
- Auffeuchten aller Bauteilschichten im Bereich von kalten Grenzschichten
- Zerstörung der Tragfähigkeit des Daches
- Komplettsanierung bis zur nicht Bewohnbarkeit des Hauses.
Ein vielfaches Problem stellt die Konvektion da.
Wasserdampfwanderung und Rücktrocknung - Feuchtigkeitsmanagement das Instrument zum sicheren Bauen? Und was ist Luftdichtung?
In der Bauphysik unterscheidet man unter anderem die Wege der Wanderung von Wasserdampf. Deshalb können wir festhalten das im Winter, wenn es innen warm und außen kalt ist die Dampfwanderung vom inneren zum äußeren geht. Bedeutet also das Feuchtigkeit durch die Bauteilschichten wandern. Im Sommer dreht sich dieses hingegen. Denn dann ist es im Haus generell kühler als draußen. Dann spricht man von Rücktrocknung. Rücktrocknung ist das Potenzial der Sonnenenergie die Moleküle wieder auf den Weg in den Innenraum zu schicken um die Konstruktion auszutrocknen. Klingt logisch, denn was eindiffundiert, kann ja rückwärts auch wieder raus. Ganz so einfach ist es hingegen nicht. Bei Berechnungen wird die Bilanz zwischen Auffeuchten und Rücktrocknen genommen um eine Abschätzung zu geben wie gefährdet die Konstruktion ist. Die DIN 4108 spricht hier von 250g/m² die als schadlos angesehen werden und als Rücktrocknungspotenzial der Konstruktion ausreichend Sicherheit bieten.
Nordflächen z. B. werden jedoch weniger Sonnenenergie erhalten als Südflächen, deren Rücktrocknung ist also nicht als gleich anzusehen. Auch Solaranlagen, die auf die Dachdeckung montiert werden, verschatten eher und es kommt weniger Energie in das Bauteil. Das freut Denjenigen der unter dem Dach leben muss, kann jedoch eine schlechte Konstruktion den Bauschaden bringen. Früher hat man auf feste sd_Werte für innen und außen gesetzt und das Feuchtigkeitsmanagement war noch kein Thema. Erst langsam hat man erkannt, das gerade hohe Sperrwerte auf der Innenseite dazu führen die Rücktrocknung quasi komplett still zu legen. Warum? Hierzu muss ich zu nächst auf den Punkt der Luftdichtung eingehen.
Die Luftdichtung soll sicherstellen das nicht unkontrolliert warme Luft in das Bauteil einströmen kann - hier spricht man von Konvektion. Konvektion, also das ungehinderte einströmen von feucht-warmer Luft, führt entgegen aller Berechnung mehr Feuchtigkeit in das Bauteil ein und damit zu höherem Tauwasserausfall. Deshalb ist die Luftdichtung - die oft fälschlich als Dampfsperre bezeichnet wird - so enorm wichtig. Denn nur sie kann das Gewährleisten was wir rechnerisch simulieren. Die Rechnung weiß ja nicht, dass wir X Leckagen haben und damit der Widerstand für Gasmoleküle überhaupt nicht passt. Gerade diese Kontrolle der luftdichten Bauhülle lässt sich bei der Dachsanierung schwerlich kontrollieren. Denn die oftmals schon verbaute Innenverkleidung lässt nur unter einer richtigen Leckageortung erkennen wo Schwachstellen sind. Oft wird aber einfach ein Blower-Door-Test - wenn überhaupt - veranlasst. Das Ergebnis ist also eher unbrauchbar. Deshalb sollte jeder Bauherr sich der Tatsache gewiss werden, wie wichtige die Ausführung der Luftdichtung bei Dachsanierung ist. Es ist anzuraten, Anschlussdetails als auch die Überwachung der Erstellung zu beauftragen um nicht dem Zufall überlassen zu sein.
Aber ich komme wieder zur Rücktrocknung. Durch Leckagen in der Luftdichtung ist es also möglich, dass deutlich mehr Feuchtigkeit einströmt. Nun kann die Rücktrocknung hier ihren Beitrag zur Schadenfreiheit leisten, dies hat jedoch auch Grenzen. Feuchtigkeit wird sich im Aufbau verteilen, also nicht mehr auf dem selben Weg zurück bewegen. Sind raumseits also Schichten angeordnet die hohe Sperrwerte aufweisen, so kann die Feuchtigkeit nicht entweichen. Sie staut sich einfach an der Dampfsperre. Man muss mathematisch nicht bewandert sein um abschätzen zu können das es gefährlich ist, wenn mehr eindiffundiert als ausdiffundieren oder rücktrocknen kann. Hier spricht man dann vom Feuchtigkeitsmanagement. Anstelle starrer Werte wie vor einigen Jahren geht man nun den Weg die Wege der Wanderung in alle Richtungen zu unterstützen.
Was heißt das genau? Man lässt so viel wie nötig herein, so viel wie möglich heraus und begünstigt die Rücktrocknung im Wissen das keine Luftdichtung 100% leckagefrei ist. Dies hat man auch der Weiterentwicklung der Bauprodukte zu verdanken. Heutige Folien, gerade in der Sanierung weisen variable sd_Wert auf. Nur wie funktionieren die? Ihre Funktionsweise ist eigentlich relativ einfach. Die Folien bestehen aus einem Trägervlies und mehreren Funktionsschichten. Stellen wir uns vor, Luft mit Gasmolekülen (Feuchtigkeit) machen sich raumseits auf den Weg zur Folie. Dort angekommen durchwandern sie die Funktionsschichten. Nun ist eine davon so eingestellt wie ein "Schwamm" zu funktionieren. Wasser trifft darauf und sie quillt auf und verschließt damit die winzigen Löcher in der Bahn. Der Sperrwert der Bahn steigt entsprechend. Für die Rücktrocknung funktioniert es genauso, nur dass die Funktionsschicht auf der Raum abgewandten Seite liegt.
Man könnte jetzt denken, die raumseitig liegende Schicht würde es unterbinden? Nein, da die Funktion auf der Rückseite der Schicht nicht funktioniert. Es kann also Gas vom Bauteilinneren zur Raumluft diffundieren. Das ist letztlich das Geheimnis der "intelligent" Folien. Ob dies am Ende der Weisheit letzter Schluss ist wird sich zeigen, denn es kann logischerweise nicht erforscht sein wie sich die Folien in der Langzeiterfahrung verhalten. Ebenfalls sind Prozesse am Bau, wie Staub, Maschinenöl usw. Dinge die sich negativ auf die Funktion auswirken können.
Fazit
In der Bauphysik gibt es viel zu berücksichtigen. Gerade der Eingriff in Bestandsbauten hat eine noch genauere Analyse der Bauteilschichten zur Folge. Die es in einer Planung zusammenzuführen gilt. Feuchtigkeitsmanagement wird auch weiterhin ein Schlüssel zur sicheren Bauteilkonstruktion sein, letztlich aber nur ein Teilschritt. Der Bauherr sollte davon absehen, spärlich beschriebene Angebote zu beauftragen, die sich nicht mindestens eingehend mit der Luftdichtung der Gebäudehülle beschäftigen und weniger auf Aussagen vertrauen - dafür Nachweise in Auftrag geben, bez. den Dachaufbau beplanen zu lassen.
In Teil 3 werde ich mich mit den Unterschiedlichen Art der Führung einer Luftdichtigkeit - im Bestand - beschäftigen und noch mal genauer auf Sperrwerte eingehen.