Nee sorry, das ist schon lange keine Marktwirtschaft mehr, wenn es reine Marktwirtschaft wäre, gäbe es keine Subventionen, keine Verbote und alles andere Eingreifen in den freien Markt. Dann gäbe es einen Wettbewerb um die effizientesten Formen der Energieerzeugung mit offenem Ausgang und ohne Dogmatismen der EUrokraten aus Brüssel. Evtl. gäbe es dann sogar 'saubere' Kernkraft, ist aber hier in Deutschland aktuell nicht gewollt,
Der Energiemarkt hat mit "freier" oder "reiner" Marktwirtschaft nichts zu tun. So gut wie alle Effekte auf diesem Markt, egal wie man die bewertet, sind im Grunde Reaktionen auf staatliches Eingreifen.
Zum Verständnis:
"Reine" oder "freie" Marktwirtschaft ist ein theoretisches Konstrukt, ein Gedankenmodell, dass es in der Wirklichkeit nicht gibt. Es ist eine philosophische Abstraktion, in der man gewisse wenn/dann-Gedankenspiele zu Gleichgewichtspunkten unter Idealbedingungen und erheblich reduzierter Komplexität auch mathematisch durchspielen kann. Das ist der Stoff vielleicht der ersten 2-3 Vorlesungen im ersten Semester VWL. Tatsächlich fängt man sehr schnell an, sich mit den Abweichungen von den Idealbedingungen zu beschäftigen und woher die kommen und wie man diese zusätzliche Komplexität durch Annahmen wieder so weit reduziert, dass sie mathematisch greifbar werden. Und so lernt man auch, dass es eben Märkte gibt, die von Grund auf gewisse Vorbedingungen des "reinen" Markt-Modells nicht erfüllen können, weil es zum Beispiel natürliche Oligopol oder Monopolstrukturen auf Anbieter oder Nachfrageseite gibt. Oder weil wir es z.B. mit einer inelastischen Nachfrage zu tun haben.
Eines der Paradebeispiele für einen Markt, der auf Grund seiner Strukturen nicht frei sein kann, ist der "klassische" Energiemarkt:
1. Kraftwerke sind teuer - sehr, sehr teuer. Die Investitionskosten stellen einen so tiefen Burggraben um diesen Markt dar, dass neue Anbieter im Grunde keine Chance haben in diesen Markt einzutreten. Gleichzeitig haben die bestehenden Spieler auf Grund der enormen Investitionen auch ein hohes Interesse daran, den Eintritt neuer Marktteilnehmer zu verhindern. Das tut man z.B. durch einen ruinösen Preiswettkampf, der dazu führt, dass sich der Markt weiter auf wenige Anbieter konzentriert, die nach erfolgreicher Abwehr dann die Preise auf Monopolpreise (über dem natürlichen Gleichgewicht) anheben werden. Das Wissen um diese Mechanismen führt dazu, dass keiner ein neues Kraftwerk baut, der nicht bereits ein Kraftwerk hat. Und es bedeutet auch: es gibt auch bei den bestehenden Anbietern wenig Interesse daran, überhaupt neue Kraftwerke zu bauen. Absolute Priorität hat die Auslastung bestehender Anlagen, die am Besten schon abgeschrieben wird. Damit verdient man Geld. Neue Kraftwerke sind ein Risiko und könnten den Markt in einen ungewollten Preiskampf stürzen, wenn ein Anbieter plötzlich Überkapazitäten billig abgeben will um seine Kraftwerke auszulasten, davon hat keiner was. Lohnender sind Preisabsprachen untereinander.
2. Energie-Nachfrage ist ab einem gewissen Punkt inelastisch: Bedeutet, dass Preissteigerungen zwar teilweise durch Rückgang der Nachfrage begegnet werden (durch Einsparung), aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Wie auch Nahrungsmittel ist Strom eines der Güter, die nicht verzichtbar sind, d.h. die Nachfrage muss steigende Preise mitgehen und es wird eher die Nachfrage nach anderen, nicht lebensnotwendigen Dingen verdrängt oder die Nachfrager sind gezwungen ihre eigenen Güter (z.B. Arbeit) teurer anzubieten.
3. Infrastruktur: Ich kann nicht einfach Energie weltweit importieren und exportieren und weiterverkaufen. Neben den Kraftwerken brauche ich als Anbieter auch Stromtrassen um die Energie zum Kunden zu bringen. In einem unreguliertem Markt, hat der Besitzer dieser Infrastruktur ein uneinnehmbares Monopol, da die Kosten ein komplettes Stromnetz zu replizieren selbst für bereits bestehende Anbieter völlig utopisch sind. Da bringt mir das neue Atomkraftwerk in Finnland auch nichts, wenn das Stromnetz in Wanne-Eickel einem Regionalversorger gehört, der gar kein Interesse daran hat, dass seine Kunden bei jemand anderes den Strom beziehen können. Oder wenn es gar keine Stromtrasse von Finnland nach Deutschland gibt.
Daher ist der Energiemarkt ein Mark in dem der Staat regulierend eingreifen muss. Täte er es nicht, würden in kürzester Zeit Monopolstrukturen mit erheblichen Ineffizienzen bilden. Es ist also klar, dass z.B. aus Brüssel Vorgaben kommen müssen, damit der Strommarkt nicht in nationale und regionale Monopolmärkte zerfällt. Es ist klar, dass der Staat durch Subventionen neue Anbieter in den Markt hineinlässt. Es ist auch klar, dass der Staat Vorgaben macht, so dass Grundversorger (die mit den hohen Investitionen) nicht völlig verdrängt werden von "opportunisitischen" Kleinanbietern, die keinen Betrag zur Erhaltung von Versorgungsinfrastruktur leisten. Es ist auch klar, dass der Staat durch Eingriffe in die Freiheit des Einzelnen, z.B. durch Enteignungsverfahren, überhaupt erst gewisse Bauten ermöglicht, die einen "freien" Markt durch Einzelpersonen einfach verhindert werden könnten (Trassenbau, Tagebaue, Stauseen etc.). Und wir haben noch gar nicht von den Kosten geredet, die der Staat durch seine Fürsorge und Vorsorgepflicht übernimmt, ökologische Kosten, Entsorgungskosten, Ressourcenverbrauch etc.
Es stellt sich also die Frage nach einem freien Markt überhaupt nicht. Der Energiemarkt hat dafür keine Voraussetzungen. Er hat die natürliche Anlage in regionale Monopolmärkte zu zerfallen. Das bedeutet: es geht nicht um die Frage, ob staatliche Eingriffe überhaupt sinnvoll sind. Die Frage ist theoretisch und praktisch schon längst beantwortet. Die Frage ist nur, welche Eingriffe sinnvoll sind. Und dafür gibt es viele Parameter: ökonomische, ökologische, gesellschaftliche/politische und darum geht der ganze Streit.