Dachgeschossausbau mit "schlanker Planung" und "kostengünstiger Realisierung"

  • Schon zum wiederholten Mal wurde ich vor ein paar Tagen von einer Hausverwaltung als SV zur fachtechnischen Bewertung eines laufenden Dachgeschossausbaus hinzugezogen. In allen Fällen wurde jeweils von einer WEG das leere DG als "Rohling" zum Ausbau an einen neuen Miteigentümer verkauft. Dieser hatte dann den Umbau beantragt und auch genehmigt bekommen. Irgendwann begannen dann "kostengünstig" eingekaufte "Baufirmen" mit der Ausführung und ich wurde nach dem gleichen Muster immer wie in diesem Fall hier angerufen, als Wasser durchs Haus zu laufen begann oder sich irgendwo fussballgroße Löcher oder handbreite Risse auftaten. So auch hier.


    Die eigentlichen Gutachtenfragen ließen sich schnell beantworten und tun in diesem Fall nichts zur Sache: Der Umbau hatte mit dem gemeldeten Problem nichts zu tun. Was ich dabei aber sonst noch sah



    ließ mich schaudern und einen Begleitbrief zu meiner gutachterlichen Stellungnahme schreiben der u.a. die folgenden Hinweise enthielt:

    Zitat von Skeptiker an die WEG / Hausverwaltung

    Außerhalb der beauftragten Begutachtung habe ich Dinge gesehen, die mich Zweifel lassen, das hier nach den a.R.d.T. und oder nach dem statischen Nachweis gearbeitet wird. ...


    Hier sollte eine Überprüfung durch den verantwortlichen Tragwerksplaner bzw. den mit der Überwachung der Baumaßnahme beauftragten Prüfingenieur für Standsicherheit erfolgen. …


    Zusammen mit der zeitweise offenen Absturzsicherung des Bauaufzuges stellt sich außerdem ... die Frage, ob für diese Baustelle ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan nach Baustellenverordnung erstellt und dessen Einhaltung durch einen SiGeKo überwacht wird.

    Die Hausverwaltung wurde sofort nach Erhalt meiner Schreiben tätig, aber der Eigentümer des DG beschwichtigte sie gestern, er und seine "Fachfirma" hätten alles im Griff.


    Heute morgen hat nun ein Mieter aus einem tieferliegenden Geschoss die Polizei gerufen, weil in einer Wand seiner Wohnung (vermutlich einem Schornstein) verbunden mit lautem Poltern handbreite Risse aufgetreten sind. Die Polizei steht jetzt wohl vor dem Haus und hat dieses geräumt und abgesperrt, bis ein Statiker die Standsicherheit schriftlich bestätigt hat. Die Bauaufsicht kommt dann am Vormittag vorbei und erwägt eine länger dauernde Sperrung und Nutzungsuntersagung des Gebäudes.


    <x


    Weshalb ich das hier poste? Weil "schlanke Planung" und "kostengünstige Realisierung" in Kombination mit „Objektüberwachung ist unnötig, ich kenne mich aus damit“ ganz schnell zu erheblichen Problemen und Schäden führen können. „Planung“ wird offensichtlich in solchen Fällen für entbehrlich gehalten, es wird ja nur gebaut wie immer, die Ausführung wird zum Schnäppchenpreis eingekauft ohne wenigsten Referenzen zu überprüfen und Kontrolle ist bei den „qualifizierten Fachfirmen“ eh überflüssig, denn die wissen ja, was sie tun. Qualität gibt es aber nun einmal nur selten besonders günstig.


    Das ist im Stadtgebiet von Berlin inzwischen für mich persönlich mein vierter Fall nach immer genau demselben Muster. Die Bauherren lernen dabei jedes Mal unter Schmerzen, ich nichts mehr.

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Die Fotos: läck! :eek::eek::eek: Dass da vorher jemanden noch nichts passiert ist....

    Gut, dass Du den Begleitbrief geschrieben hast.


    Da ich in dem Thema nicht so drin bin: Wie hast Du das mit dem statischen Nachweis erkannt?

    handbreite Risse

    :eek::eek:=o

    Nothing is forever, except death, taxes and bad design


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  • Was ich dabei aber sonst noch sah

    DU konntest das sehen, aber wieviele Baustellen gibt es noch, wo niemand so genau hinschaut (hinschauen kann), und durch Zufall oder Glück, sich Mängel nicht sofort als Schaden bemerkbar machen. Wenn das erst einmal alles verkleidet ist, dann können doch locker mal 1 oder 2 Jahre vergehen, und bei den ersten Anzeichen heißt es sowieso reflexartig "das ist nicht so schlimm", bis dann nach weiteren 1 oder 2 Jahren der Schaden so goß ist, dass man nicht mehr daran vorbei schauen kann.

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    .

  • verbunden mit lautem Poltern handbreite Risse aufgetreten sind.

    My dear Mister Singing Club!


    Handbreite Risse. Ich neige auch dazu Risse (meistens) als statisch irrelevant einzustufen, handbreite Risse sind aber idR Bewegungen, die in einem Gebäude so nicht vorkommen sollten. Fragt sich natürlich wo die herkommen.


    Könnte für den angehenden Neubewohner des DG noch eine ganz teure Nummer werden, diese Billiglösung.


    Bitte unbedingt weiter berichten!

  • Daumendicke Risse habe ich schon gesehen - aber handbreit ist nochmal eine ganz andere Nummer.

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  • Daumendicke Risse habe ich schon gesehen - aber handbreit ist nochmal eine ganz andere Nummer.

    Die Schilderung ist laienhaft, so dass ich mich daran nicht orientieren würde. Ich denke da ist real sowas wie max. 1 - 2 cm zu erwarten.

    Da ich in dem Thema nicht so drin bin: Wie hast Du das mit dem statischen Nachweis erkannt?

    Ich habe es nicht erkannt, ich vermute es nur. Eindeutig sahen aber alle Holzverbindungen nicht so aus, wie wir sie grad mit zwei unterschiedlichen seriösen Statikern in anderen Projekten planen und bisher in den Projekten, wo wir selbst die OÜ machen ausgeführt haben. Deshalb lautet die vorsichtige Formulierung hier "ist zu prüfen".


    Ich vermute, dass bisher trotz gegenteiliger Behauptungen des Bauherrn kein Prüfingenieur beauftragt wurde, in keinem Fall aber zur Prüfung am Objekt war, warum auch immer.

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Home Office. ;)

    Kaum - sogar so gut wie sicher nicht. Ich vermute:

    • ganz schlicht fehlende Information über den Baubeginn und Anforderung der ersten Prüfung
    • fehlende Beauftragung durch Bauherrn (scheidet aber eigentlich aus, weil dann der erste Prüfbericht fehlt, ohne den es keine Genehmigung gibt)
    • Zahlungsrückstände beim ersten Prüfbericht (wobei es den von den hiesigen Prüf.-Ings. generell mit Unterschrift immer erst nach Zahlungseingang bei der gemeinsamen Abrechnungsstelle der Prüf.-Ings. gibt, die sind ja nicht blöd :) )

    Irgendwas ist da jedenfalls oberfaul und 'nen SiGeKo haben sie offensichtlich auch nicht - sonst wäre ich nicht beinahe vom Gerüst gefallen - von der 7. Lage!

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Okay...ich kenne das BV jetzt natürlich nicht....aber in Bayern (wohlgemerkt) bedürfte es auch gar keines Prüf.Ing. (vermutlich)

    Es handelt sich um ein Gebäude der GK 5 mit einer Grundfläche von rd. 350 m2 / Geschoss, in welchem tragende Bauteile ausgetauscht und statische Systeme verändert werden. Dabei sind in B positive Testate von Prüf.-Ing. für Standsicherheit, Brandschutz und Einhaltung des GEG vorzulegen.

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Boah, krass. :eek:

    Na, wenigstens war man aufmerksam und hat reagiert. Oft gibt es ja eher ein is-mir-egal-Gefühl.

    Du musst immer einen Plan haben. Denn wenn Du keinen hast, dann wirst Du Teil eines anderen Planes...

  • Boah, krass. :eek:

    Na, wenigstens war man aufmerksam und hat reagiert. Oft gibt es ja eher ein is-mir-egal-Gefühl.

    Der Eigentümer des DG und Bauherr sieht wohl alles als „regulär und gut organisiert“ an. Lediglich anhand von Lappalien sei das Ganze „unnötig aufgebauscht“ worden von „inkompetenten Wichtigtuern und Neidern“. Die 3 cm Wasser in den Wohnungen darunter ignoriert er dabei offensichtlich

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Ist die Bauaufsicht tatsächlich an besagten Vormittag vorbei gekommen und hat die Bude geräumt und gesperrt? Wo hausen nun alle Bewohner? Da dürfte mächtig Ärger in der Luft schweben... X/


    Würde mich nicht wundern, wenn dem "Neuen" nun das Geld ausgehen wird, bei all dem Ärger und Zusatzkosten und Bußgeld der Behörde usw. Dann bleibt das DG vorerst so wie es ist und die WEG muss dann alles wieder ins Lot bringen, damit das Dach wieder dicht ist. Finanziell bleibt es an denen hängen, was vom Verursacher nicht zu holen ist.



    :wall:

    Du musst immer einen Plan haben. Denn wenn Du keinen hast, dann wirst Du Teil eines anderen Planes...

  • Update von der Hausverwaltung


    Am Freitagmittag

    • hat sich ein von der Hausverwaltung hinzugezogener Statiker das Dachgeschoss örtlich angeschaut und festgestellt, dass die Aussteifung des bestehenden Dachstuhls zerstört wurde. Er hat angewiesen, aus vorhandenem Bauholz eine behelfsmäßige Aussteifung herzustellen und dafür Vorgaben gemacht. Die HV hat einen Zimmerer mit der Ausführung der Notmaßnahme beauftragt. Der Statiker sah nach deren Ausführung keine akute Gefährdung von Menschen mehr.
    • stelle sich der Riss in einer Wand stellte sich als eine lokale Putzablösung heraus, welche durch einen einzelnen in einen Schornsteinschacht gefallenen Mauerstein verursacht worden war, als dieser auf einem verschlossenen Rauchrohranschluss aufschlug. Dieser war nicht vermörtelt, sondern nur durch loses Einlegen verschlossen worden.
    • war die bezirkliche Bauaufsicht zwar direkt von der Berliner Polizei / Feuerwehr eingeschaltet worden und hatte den vom Bauherrn beauftragten Prüfingenieur aufgefordert, sich das Objekt anzuschauen. Es gibt ihn wirklich und er ist auch beauftragt, wusste aber nichts vom bereits erfolgten Baubeginn. Nach einem Gespräch mit dem Statiker und Erhalt von Fotos (die beiden kennen sich aus anderen Projekten) hat er unter Vorbehalt aus der Ferne Entwarnung gegeben und die Bauaufsicht war dann am Freitagnachmittag wohl auch froh ins Wochenende gehen zu können. Die Sperrung durch die Polizei wurde jedenfalls aufgehoben.
    • wurde von der HV ein Dachdecker mit der Herstellung besserer Notabdichtungen beauftragt. Diese wurden am Freitag begonnen.
    • war die Baustelle anscheinend bei Eintreffen der HV und des von ihr beauftragten Statikers nicht (mehr) besetzt und ist auch heute am Montagvormittag unbesetzt geblieben. Der "Bauleiter" ist telefonisch seit Freitagmittag nicht erreichbar.
    • blieb unklar, ob es eine über die genehmigte Bauvorlage und den statischen Nachweis hinausgehende Ausführungsplanung gibt. Der von der HV hinzugezogene Statiker bezweifelt dies. Er vermutete, dass die Ausführung ohne Kenntnis einer Statik ausgeführt wurde, meint dass diese jedenfalls vollständig ignoriert worden sein muss.

    Wie es weitergeht? Die Hausverwaltung lässt momentan verschiedene juristische Fragen prüfen. Die Einzeleigentümer müssen nach erster Zwischenstand die Beseitigung der Schäden an ihren Wohnungen selbst direkt beim Eigentümer des DG einfordern und gegen diesen durchsetzen. Das Hauptproblem scheint zu sein, dass es außerhalb des langwierigen Rechtsweges keine Instanz gibt, welche gegenüber einem Miteigentümer kurzfristig und gar baubegleitend die Einhaltung der a.R.d.T. durchsetzen kann - sofern nicht gerade Gefahren für Leib und Eben oder erhebliche Sachwerte befürchtet werden, wie am vergangenen Freitag.

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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