Grundsteuer: Besteuerung privater Erschließungsgrundstücke

  • Eine private Berliner Wohnanlage in Realteilung besteht aus X einzelnen Grundstücken ähnlicher Größe, welche sich alle in individuellem Besitz* befinden und individuell veranlagt und besteuert werden. Alle dieser Grundstücke sind in ähnlichem Umfang mit Wohngebäuden bebaut. Die Erschließung der Wohnanlage erfolgt ausschließlich über ein Erschließungsgrundstück, welches zwischen allen anderen Grundstücken liegt und alle berührt. Das Erschließungsgrundstück ist nach WEG oder analog dazu geteilt. Alle anliegenden Grundstücke nutzen das Erschließungsgrundstück für die Verkehrs- und Medienerschließung. Eine andere Erschließung der Grundstücke ist auch langfristig weder physisch noch juristisch möglich. Die X Besitzer der Grundstücke sind qua Teilungserklärung zu gleichen Anteilen MItbesitzer des Erschließungsgrundstücks. Alle erschlossenen Grundtücken wurden Leitungs-, Wege. und weitere Nutzungsrechte eingeräumt und so auch als Grunddienstbarkeiten eingetragen. Qua Teilungserklärung können nur die Besitzer der erschlossenen Grundstücke Besitz am Erschließungsgrundstück erlangen und müssen diesen bei Veräußerung ihrer eigentlichen Grundstücke auch an deren neue weitergeben. Das Erschließungsgrundstück selbst ist baurechtlich (B-Plan, Abstandsflächen aus dem Bauordnungsrecht) nicht bebaubar und auf ihm liegt durch den B-Plan auch ein öffentliches Wegerecht (korrekte Formulierung?).


    In den ersten vorliegenden Bescheiden hat das zuständige Finanzamt den Besitzern der erschlossenen Grundstücke anteilig ihren Bruchteil der Gesamtfläche als Fläche zugeordnet und in die Berechnung so einfließen lassen. Das wird der Sache gerecht, ist soweit alles plausibel und nach meinem steuerlichen Halbwissen nicht zu beanstanden. Der Anteil des Erschließungsgrundstücks liegt meines Wissen bei 20 - 25 % der steuerlich anrechenbaren Fläche, ist also schon relevant.


    Es stellt sich die Frage, ob bei der steuerlichen Veranlagung berücksichtigt werden müsste, dass der Flächenanteil des Erschließungsgrundstücks einen geringeren potentiellen Ertrag und damit "Wert" als die bebauten Grundstücke hat, da es ja anders als diese nicht bebaut werden kann. Andererseits sind die erschlossenen Grundstücke durch die Festsetzungen des B-Plans auch nur teilweise bebaubar - vermutlich wie fast jedes Grundstück.


    Sind nicht bebaubare Grundstücke, nicht bebaubare Teile von teilweise bebaubaren Grundstücken und bebaubare Grundstücksteile bezüglich der Grundsteuer in diesem Fall gleich zu bewerten?


    (* Der juristische Unterschied zwischen Besitz und Eigentum ist bekannt. Hier wird vereinfachend "Besitz" im steuerrechtlich Sinn von "Steuerpflichtigkeit" benutzt und ist so zutreffend und im Zusammenhang der Frage nicht weiter zu hinterfragen.)

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Sind nicht bebaubare Grundstücke, nicht bebaubare Teile von teilweise bebaubaren Grundstücken und bebaubare Grundstücksteile bezüglich der Grundsteuer in diesem Fall gleich zu bewerten?

    Nicht bebaubare Flächen hat eigentlich jedes Grundstück. Ich vermute, dass allein der Bodenrichtwert als Grundlage gilt.


    Ruf doch mal beim Finanzamt an. Ich habe in einer anderen Sache dort eine kompetente Antwort erhalten, wo mein Steuerberater etwas geschwommen ist.

    __________________
    Gruß aus Oranienburg
    Thomas

  • Nicht bebaubare Flächen hat eigentlich jedes Grundstück. Ich vermute, dass allein der Bodenrichtwert als Grundlage gilt.

    Ich kam auf die eigenartige Frage, weil

    • unser Büronachbar die Anmeldung zur Grundsteuer für ein Grundstück in MV machte und ich bei der Gelegenheit merkte, dass es dort unterschiedliche Bewertungen u.a. für landwirtschaftlich genutzte, mit landwirtschaftlich genutzte Gebäuden bebaute ... Grundstücksteile und nicht landwirtschaftlich genutzte Grünflächen gibt, jedenfalls bei der Erfassung
    • ein Freund die oben beschriebene Zuordnung schilderte

    und ich mich fragte, wie beides zusammenpasst. Es kann natürlich sein, dass dies die Bundesländern unterschiedlich handhaben.

    Ruf doch mal beim Finanzamt an. Ich habe in einer anderen Sache dort eine kompetente Antwort erhalten, wo mein Steuerberater etwas geschwommen ist.

    Ich werde den Tipp an den Freund weitergeben. Klar, die müssen Auskunft geben, Danke!


    Meinen bisherigen Steuerberater hätte ich danach garnicht erst gefragt, aber der Freund hat eh einen anderen.

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Ich kam auf die eigenartige Frage, weil

    • unser Büronachbar die Anmeldung zur Grundsteuer für ein Grundstück in MV machte und ich bei der Gelegenheit merkte, dass es dort unterschiedliche Bewertungen u.a. für landwirtschaftlich genutzte, mit landwirtschaftlich genutzte Gebäuden bebaute ... Grundstücksteile und nicht landwirtschaftlich genutzte Grünflächen gibt, jedenfalls bei der Erfassung
    • ein Freund die oben beschriebene Zuordnung schilderte

    und ich mich fragte, wie beides zusammenpasst. Es kann natürlich sein, dass dies die Bundesländern unterschiedlich handhaben.

    Ich werde den Tipp an den Freund weitergeben. Klar, die müssen Auskunft geben, Danke!


    Meinen bisherigen Steuerberater hätte ich danach garnicht erst gefragt!

    1. Es gibt in der Grundsteuer einen enormen Unterschied zwischen Landwirtschaftlichem Vermögen und Grundvermögen. Zwei völlig verschiedene Welten, die auch strikt getrennt werden müssen, teilweise bedeutet das zwei Erklärungen für ein Flurstück. Daher kann man aus der einen Welt keine Rückschlüsse auf die andere Welt ziehen, außer dass sie sich gegenseitig ausschließen.

    2. Unbebaute Grundstücke des Grundvermögens werden (im Bundesmodell) nach Bodenrichtwert gem. Gutachterausschuss bewertet. Einer der Kritikpunkte, an der sich auch die verfassungsrechtlichen Bedenken in der Literatur festmachen, sind genau diese Fälle, wo die Spezifika der Bewertungseinheit nicht durch die Bodenrichtwerte abgebildet werden, aber auch nicht, wie sonst bei Substanzbesteuerung üblich, ein niedrigerer Wert über Gutachten nachgewiesen werden kann.

    Beispiel: Mandant mit 4 ha Industriefläche, auf der seit ca. 200 Jahren produziert wurde, Lage im Innenstadtnahen Bereich einer kleineren sächsischen Stadt. Wert lt. Gutachterausschuss sind 75 EUR/m² für Bauland, defacto aber nie realisierbar auf Grund von starker Schwermetallkontaminierung; Die Gutachten aus den frühen 90er Jahren liegen vor, ist aber alles "egal" weil die Grundsteuer diese Bewertungskriterien nicht vorsieht.

    Der gesunde Verstand ist die bestverteilte Sache der Welt, denn jedermann meint, damit so gut versehen zu sein, dass selbst diejenigen, die in allen übrigen Dingen sehr schwer zu befriedigen sind, doch gewöhnlich nicht mehr Verstand haben wollen, als sie wirklich haben. ~ René Descartes

  • 1. Es gibt in der Grundsteuer einen enormen Unterschied zwischen Landwirtschaftlichem Vermögen und Grundvermögen. Zwei völlig verschiedene Welten, die auch strikt getrennt werden müssen, teilweise bedeutet das zwei Erklärungen für ein Flurstück

    Sehr erhellend, danke!

    2. Unbebaute Grundstücke des Grundvermögens werden (im Bundesmodell) nach Bodenrichtwert gem. Gutachterausschuss bewertet. Einer der Kritikpunkte, an der sich auch die verfassungsrechtlichen Bedenken in der Literatur festmachen, sind genau diese Fälle, wo die Spezifika der Bewertungseinheit nicht durch die Bodenrichtwerte abgebildet werden, aber auch nicht, wie sonst bei Substanzbesteuerung üblich, ein niedrigerer Wert über Gutachten nachgewiesen werden kann.

    Würdest Du empfehlen, in solchen Fällen gegen den Bescheid des FA Widerspruch einzulegen? Der müsste dann ja über kurz oder lang begründet werden. Dafür wäre dem Freund dann auf jeden Fall der Gang zum eigenen Steuerberater anzuraten oder ist das schon ein Fach für Juristen?

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Sehr erhellend, danke!

    Würdest Du empfehlen, in solchen Fällen gegen den Bescheid des FA Widerspruch einzulegen? Der müsste dann ja über kurz oder lang begründet werden. Dafür wäre dem Freund dann auf jeden Fall der Gang zum eigenen Steuerberater anzuraten oder ist das schon ein Fach für Juristen?

    Du musst Einspruch einlegen, damit der Bescheid nicht bestandskräftig wird. Begründen musst Du es damit, dass die angesetzten Bodenrichtwerte aus Deiner Sicht nicht zutreffend sind.

    Parallel dazu musst Du Dich an den Gutachterausschuss wenden, damit die die Fläche nochmals begutachten und ggf. den Bodenrichtwert korrigieren.

    Danach kann auch der Grundsteuerbescheid wieder geändert werden, sofern der Gutachterausschuss die bisher angesetzen Werte korrigiert.


    Gruß

  • Sehr erhellend, danke!

    Würdest Du empfehlen, in solchen Fällen gegen den Bescheid des FA Widerspruch einzulegen? Der müsste dann ja über kurz oder lang begründet werden. Dafür wäre dem Freund dann auf jeden Fall der Gang zum eigenen Steuerberater anzuraten oder ist das schon ein Fach für Juristen?

    Einspruch und zum Steuerberater. Aus meiner Erfahrung ändern die Gutachterausschüsse aber eigentlich nie irgendwelche Werte. Gegen die Werte vom Gutachterausschuss gerichtlich vorzugehen ist... ich möchte nicht sagen aussichtslos, aber fast aussichtslos. Die Hoffnung ist, dass die Musterklagen zumindest dahingehend Erfolg haben werden, dass Gutachten zum Nachweis des niedrigeren Wertes zugelassen werden.

    Der gesunde Verstand ist die bestverteilte Sache der Welt, denn jedermann meint, damit so gut versehen zu sein, dass selbst diejenigen, die in allen übrigen Dingen sehr schwer zu befriedigen sind, doch gewöhnlich nicht mehr Verstand haben wollen, als sie wirklich haben. ~ René Descartes

  • Einspruch und zum Steuerberater. Aus meiner Erfahrung ändern die Gutachterausschüsse aber eigentlich nie irgendwelche Werte. Gegen die Werte vom Gutachterausschuss gerichtlich vorzugehen ist... ich möchte nicht sagen aussichtslos, aber fast aussichtslos. Die Hoffnung ist, dass die Musterklagen zumindest dahingehend Erfolg haben werden, dass Gutachten zum Nachweis des niedrigeren Wertes zugelassen werden.

    Würde ich so pauschal nicht sagen.

    Bei uns hatte jede Gemeinde einen eigenen Gutachterausschuss. Diese wurden nun zentralisiert und da kam heraus, dass die jeweiligen Gutachterausschüsse teilweise sehr unterschiedlich die Werte festgelegt hatten. Auch wurde in manchen Gemeinden die Flächen ganz präzise angeschaut und dann auch in Teilflächen untergliedert - mit sehr unterschiedlichen Bodenrichtwerten.

    Wenn sich jemand dagegen wehrt, sind die Aussichten nicht unbedingt schlecht, dass die Bodenrichtwerte angepasst werden.

    Ein Versuch ist es allemal wert.


    Gruß

  • Du musst Einspruch einlegen, damit der Bescheid nicht bestandskräftig wird. Begründen musst Du es damit, dass die angesetzten Bodenrichtwerte aus Deiner Sicht nicht zutreffend sind.

    Einspruch und zum Steuerberater.

    Okay, soweit seid ihr beide euch einig, Die Aussage ist eindeutig.

    Begründen musst Du es damit, dass die angesetzten Bodenrichtwerte aus Deiner Sicht nicht zutreffend sind.

    Aus meiner Erfahrung ändern die Gutachterausschüsse aber eigentlich nie irgendwelche Werte. Gegen die Werte vom Gutachterausschuss gerichtlich vorzugehen ist... ich möchte nicht sagen aussichtslos, aber fast aussichtslos. Die Hoffnung ist, dass die Musterklagen zumindest dahingehend Erfolg haben werden, dass Gutachten zum Nachweis des niedrigeren Wertes zugelassen werden.

    Würde ich so pauschal nicht sagen.

    Bei uns hatte jede Gemeinde einen eigenen Gutachterausschuss. Diese wurden nun zentralisiert und da kam heraus, dass die jeweiligen Gutachterausschüsse teilweise sehr unterschiedlich die Werte festgelegt hatten. Auch wurde in manchen Gemeinden die Flächen ganz präzise angeschaut und dann auch in Teilflächen untergliedert - mit sehr unterschiedlichen Bodenrichtwerten.

    Wenn sich jemand dagegen wehrt, sind die Aussichten nicht unbedingt schlecht, dass die Bodenrichtwerte angepasst werden.

    Ein Versuch ist es allemal wert.

    In B, wie auch bspw. in Brandenburg und zumindest einigen Gemeinden in Sachsen-Anhalt, wo ich es zufällig genauer weiß, werden die Bodenrichtwerte jeweils für größere Bereiche wie mehrere Straßenblöcke oder gesamte Ortslagen festgestellt siehe BORIS.



    Dies erfolgt natürlich grundstücksscharf, aber immer für ganze Flurstücke. Die Einzelgrundstücke der beschriebenen Wohnanlage und das Erschließungsgrundstück liegen alle im selben abgegrenzten Bereich mit einem einheitlichen Bodenrichtwert und sind insofern in ihrer einheitlichen Zuordnung nicht zu beanstanden. Da das Verfahren und die Auflösung im ganzen Bundesland gleich und gleich genau ist, wird man einen Gutachterausschuss kaum dazu bewegen können, dieses eine Flurstück als einziges von geschätzt tausenden dieses Bereichs niedriger zu bewerten, zumal dieser Bereich auch etliche andere nicht bebaubare Flurstücke enthält wie Friedhöfe, Botschaften, Parkanlagen etc.. Und erfahrungsgemäß werden die Bodenrichtwerte zum nächsten Jahreswechsel eh wieder aktualisiert / erhöht.


    Ich bezweifle, dass sich dazu auch nur mittelfristig etwas bewegen lässt, da es hier eben flächendeckend keine grundstücksdifferenzierten Bodenrichtwerte gibt. Dies müsste hier erzwungen werden. Rein vom Arbeitsumfang her ist das kaum zu bewältigen und auch nicht sinnvoll, weil leichte Glättungen damit wegfallen würden.


    Dem Freund werde ich das zwar erklären, aber ich werde ihn nicht überreden, das Thema weiter zu verfolgen, zumal sein Grundstück relativ klein ist - aber natürlich teuer. Ärgerlicherweise ist ja vorerst noch nicht einmal klar, wie hoch die Grundsteuer tatsächlich sein wird, da ja alle Grundstücke in B heute einen vielfach höheren Einheitswert haben als 1964. Ob die betroffenen Grundstücke überproportional an Wert gewonnen haben, kann ich nicht abschätzen. Der Freund weiß es vermutlich auch nicht. Er wüßte also nicht, worüber er sich streiten würde, ob sich der Aufriss also wirtschaftlich lohnt. Er war bisher auch noch nicht drauf gekommen, dass eibegründete Zweifel geben könnte.

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Würde ich so pauschal nicht sagen.

    Mag sein, meine persönliche Erfahrung kann natürlich kein repräsentativer Maßstab sein. Versuchen kann man es, aber man muss sich halt überlegen, wieviel Geld man in so einen Versuch steckt.

    Der gesunde Verstand ist die bestverteilte Sache der Welt, denn jedermann meint, damit so gut versehen zu sein, dass selbst diejenigen, die in allen übrigen Dingen sehr schwer zu befriedigen sind, doch gewöhnlich nicht mehr Verstand haben wollen, als sie wirklich haben. ~ René Descartes