"Interpretation" Lastenannahmen DIN 1055-3 / DIN EN 1991-1 - Aufstellung eines Tresors

  • Sehr geehrte Forumgemeinde,


    meine Frage bezieht sich zwar nicht auf den Bau - aber dennoch auf Statische Lastenannahmen.


    Ich würde gerne in einer Mietwohnung einen Tresor mit einer Aufstellfläche von 0,4mx0,4m= 0,16m² und einem Gewicht von 160 bis 170kg je nach Befüllung aufstellen (die Art der Betondecke und alle relevanten Statischen Daten habe ich beim Vermieter angefragt).


    Nach langer Recherche scheint sich das Internet nicht sicher zu sein wie man DIN 1055-3 bzw. EN 1991-1 in Bezug auf die Tragwerkbelastung "interpretiert" (zum Estrich komme ich später) !


    1. Die einen sagen - die für Betondecken in Wohngebäuden angegebene Last von 150kg/m² bedeutet dass das Gesamtgewicht aller Lasten in einem Zimmer von 10m² max. 1500kg betragen darf.

    2. Die anderen sagen - man muss das tatsächliche Gewicht in Relation zur Aufstellfläche berechnen und das Resultat muss kleiner 150kg/m² sein - das wäre in meinem Fall ja jedoch viel größer mit 160kg/0,16m²=1600kg/m²!


    Die zweite Variante kann ich mir Praktisch aber nicht vorstellen! Ein Biegemoment der auf die Balken/Bewehrung wirkt hängt ja nicht von der Aufstellfläche der Last ab sondern von der Entfernung zum Auflager - sprich zur tragenden Wand. Die Fläche wäre eher für die Flächenpressung auf den Estrich wichtig, oder? Oder wird die Decke etwa durchgestanzt durch die Bewehrung wenn die Last tatsächlich auf so eine zu kleine Fläche wirkt?


    Sollte die 2. Variante stimmen - was könnte man damit machen - Unterlage/Gestell?


    Die DIN 1055-3 von 1971 (das Haus ist Ende der 1970er gebaut worden) besagt außerdem, dass Geräte/Tresoren/Öfen bis 300kg (bzw. sogar bis 500kg falls an tragenden Wand) ohne Statischen Nachweis aufgestellt werden können. Da soll mal einer durchblicken...

    Quelle: https://www.umwelt-online.de/recht/bau/din/1055_3z1971.htm


    Könnte mir jemand mit diesen Fragen helfen - auch wenn es nur Quellen zu Grundlagen/Berechnungen sind - ich würde ja gerne selbst in die Thematik eintauchen.


    LG :)

  • Im Prinzip sind beide Varianten richtig.

    Es ist korrekt, dass Decken in Wohngebäuden in der Regel für 150 kg/m² nachgewiesen werden. Die 1,5 t für einen 10 m² großen Raum sind also grundsätzlich korrekt, allerdings nur dann, wenn die 1,5 t auf einer Grundfläche von 10 m² stehen ;) . Man kann also nicht einfach hingehen und 1,5 t in die Mitte des Raumes stellen und sagen, dass die Decke das aushält, weil die auf 10 m² ja 1,5 t zusammen kommen.

    Es ist auch korrekt, dass das Biegemoment einer Decke von der Laststellung abhängig ist, vereinfach gesagt, je näher die Last am Auflager ist, desto kleiner ist das resultierende Biegemoment. Nichtdestotrotz darf eine Last, ggfs. umgerechnet auf eine Flächenlast, nicht größer sein als 1,5 kN/m² (150 kg/m²) um sicher sagen zu können, dass diese Last von der Decke aufgenommen werden kann.

    Die korrekte Lösung für dieses Problem wurde im Prinzip auch schon genannt (Unterlage/Gestell), wodurch erreicht werden kann, dass die 150 kg/m² eingehalten werden. Das nicht in jedem Einzelfall aufzulösende Dilemma hierbei ist, dass auch die Unterlage/das Gestell ein definiertes Gewicht haben. Will sagen: Unterlage/Gestell und Tresor zusammen dürfen dann nicht mehr als 150 kg/m² wiegen.

    Im hier konkret geschilderten Fall könnte es aber gut möglich sein, dass eine Unterlage/ein Gestell nicht notwendig ist, da die Decke möglicherweise für eine Verkehrslast von 1,5 kN/m² und einen Trennwandzuschlag von 0,75 kN/m² (ggfs. sogar 1,25 kN/m²) bemessen wurde. Das kann man aber nur wissen, wenn die statischen Unterlagen vorliegen.

    Der Bauende soll nicht herumtasten und versuchen. Was stehen bleiben soll, muß recht stehen und wo nicht für die Ewigkeit doch für geraume Zeit genügen. Man mag doch immer Fehler begehen, bauen darf man keine. (Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre)


    Rings um euch liegt die weite Welt: Ihr mögt euch einzäunen, aber euer Zaun wird sie nicht fern halten. (J.R.R. Tolkien, Derr Herr Der Ringe, Erster Teil: Die Gefährten)

  • Ok, vielen Dank schon mal für die Antwort die viel Licht ins Dunkel bringt!


    Das mit dem Trennwandzuschlag verstehe ich jedoch nicht so wirklich - der ist ja dann für den Fall einer Trennwand da, die ja auch was wiegt?

    Werden die 0,75kN/m² einfach zu 150kg/m² hinzuaddiert übersteige ich mit den 1600kg/m² diese Marke trotzdem um ein Vielfaches!


    Außerdem verstehe ich den Punkt 5 der DIN 1055-3 von 1971 dann nicht, Zitat:

    Das würde ja bedeuten, dass in Ausnahmefällen Lasten bis 300kg unabhängig der Aufstellfläche in Ordnung sind?

    Dadrauf beziehen sich viele in Foren für z.B. Waffentresore... denn der Gesetzgeber fordert seit 2017 viel schwerere Waffenschränke - die allesamt die 150kg/m² überschreiten - egal ob sie 100kg oder 250kg wiegen, weil die Aufstellflächen mit dem Gewicht zusammen variieren. Hmm...

  • übersteige ich mit den 1600kg/m² diese Marke trotzdem um ein Vielfaches!

    Richtig, Lese-/Rechenfehler meinerseits, hatte 160 kg/m² gelesen, ist halt schon spät.

    Das mit dem Trennwandzuschlag verstehe ich jedoch nicht so wirklich - der ist ja dann für den Fall einer Trennwand da, die ja auch was wiegt?

    Werden die 0,75kN/m² einfach zu 150kg/m² hinzuaddiert

    Ja, die 0,75 kN/m² werden zu den 1,5 kN/m² hinzuaddiert. Der Zuschlag dient dazu, dass leichte Trennwände berücksichtigt werden, unabhängig davon, wo auf der Decke sie tatsächlich stehen; die Decke ist ja nicht vollständig mit Trennwänden zugestellt, nehme ich mal an. Von daher ist es eine mögliche Lastreserve, wenn sie denn in der Statik damals berücksichtigt wurde.


    Das ist aber insofern unerheblich, da der Tresor ohne zusätzliche Lastverteilung 10 kN/m² (nicht 16) wiegt und somit in der Tat deutlich mehr als die mutmaßlich zulässige Last. Wie Waffenbesitzer damit umgehen, ist mir nicht bekannt. Meine Vermutung wäre, dass sich viele darüber keine Gedanken machen und den Tresor einfach aufstellen. Der angesprochene Passus der DIN 1055-3:1971-06 könnte hier ggfs. anwendbar sein. Mir war er bisher unbekannt und in aktuellen Normen ist so ein Passus nicht mehr enthalten.


    Im Prinzip kann man hier nur dazu raten, einen Tragwerksplaner hinzuzuziehen, der sich die Bestandsstatik und im besten Fall auch die Bestandspläne der Decke ansieht und die Tragfähigkeit hinsichtlich eines konkreten Aufstellortes beurteilt. Da der Tresor ja wahrscheinlich nicht in der Raummitte stehen soll, sondern an einer Wand, besteht ggfs. die Möglichkeit, dass die Decke ausreichend tragfähig ist.

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  • Und nochmals vielen Dank!

    Habe gerade noch mal überschlägig schnell gerechnet wieviel eine 1,2mx1m Unterlage wiegen darf.

    Es wäre schon möglich. Die einzige Frage ist - ob die Unterlage über die gesamte Fläche Anliegen muss (was ohne beidseitige Flächenbearbeitung eigentlich nicht geht!). Eine biegestarre Platte wird immer an Kanten oder einer Teilfläche anliegen weil der Boden bzw. die Platte selbst beide nicht 100% gerade sind... Es sei denn man macht 3 Füße oder 4 Füße mit 1 einstellbaren Fuß.

    Und hier haben wir das gleiche Problem - die Last ist zwar auf den 1,2m² aufgstellt - liegt aber auf Füßen die eine viel kleinere Auflagefläche aufweisen!


    Da Frage ich mich wie es mit meinem Bett funktioniert - Bett wiegt 50kg + ich 110kg + meine Frau 60kg - insgesamt 210kg.

    Das Bett steht auf 4 Stellfüßen mit einem Durchmesser von 8cm - macht eine Gesamt-Aufstellfläche von 0,02m², also 0,005m² pro Fuß.

    Das sind 10000kg/m² und das 8h pro Tag!

    Das ist so, als ob ich im Raum 4 sehr kleine Tresore aufstellen würde mit einem Gewicht von 52,5kg auf eine FLäche von 0,005m²

  • Wenn man ganz sicher gehen will, hilft nur, einen Fachmann/eine Fachfrau auf die Bestandsunterlagen schauen zu lassen.

    Hier nur noch so viel: Die Unterlage muss so steif sein, dass die Last auch tatsächlich auf die volle Fläche verteilt wird, will sagen, ein 1,2 m² großer Teppich reich nicht, eine 1,2 m² und 30 mm starke Metallplatte schon eher, wobei die wahrscheinlich zu schwer ist. So groß muss die Unterlage wahrscheinlich auch gar nicht sein, da die Lasten bereits durch den Fußbodenaufbau (Estrich und ggfs. Trittschalldämmug) sowie die Decke selbst verteilt werden. Um das zu ermitteln benötigt man aber a) die Bestandsunterlagen und muss b) in der Lage sein, diese zu lesen und zu interpretieren, also eine entsprechende Ausbildung haben.

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  • in der Regel für 150 kg/m² nachgewiesen werden.

    Das hast Du ein wenig aufgerundet ;)

    Wenn man ganz sicher gehen will, hilft nur, einen Fachmann/eine Fachfrau auf die Bestandsunterlagen schauen zu lassen.

    dem kann ich nur zustimmen.

    Die Unterlage muss so steif sein, ...

    Dabei ist zu beachten, dass sowohl saibot2107 als auch Du nur die Decke betrachtet haben.


    Ohne nachgerechnet zu haben und unter der Voraussetzung, dass der Tresor an einer Wand stehen soll, hätte ich bei einer Stahlbetondecke keine Bauchschmerzen.


    Bei einer Decke mit Füllkörpern der gar einer Holzbalkendecke sieht es deutlich schlechter aus.


    Hinsichtlich des Estrichs, würde ich den Estrich ausschneiden und gegen eine Estrich auf Trennschicht ersetzen-

    Verflucht sei, wer einen Blinden irren macht auf dem Wege!

    5.Mose 27:18

  • Danke für die Klärung! Es wird darauf hinauslaufen, dass ich erstmal die Statik-Unterlagen abwarte und dann ggfls. einen Fachmann hinzuziehe.

    Eine 30mm dicke Stahlplatte mit 1,2m² Fläche wird um die 280kg wiegen. 10mm dick - 95kg. Dazu kommt noch, dass der Boden selbst nicht gerade ist - d.h. die Platte wird nicht mit 1,2m² anliegen sondern nur mit einer unbekannten Teilfläche. Nach meiner Rechnung dürfte die Unterlage nicht über 20kg weigen - eine stabile Holzplatte wäre schon eher geeignet.

    Eine Spannende Aufgabe. Die Unterlage könnte ich selbst konstruieren. Mir fällt aber das Verständnis der Lastverteilung auf und im Beton.

    Falls jemand - zum Besseren Verständnis des oben geschilderten Problems mit dem Bett - einen Link/Literatur-Empfehlung hat, würde ich mich freuen :)

  • Das hast Du ein wenig aufgerundet ;)

    Nein, nichts aufgerundet. Nach Norm entsprechen 1,5 kN/m² 150 kg/m² :eek:

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  • war da nicht irgendwas mit 9,81 m/s^2

    Ist für das Thema aber völlig egal

    Off-Topic:

    Deshalb schrieb ich "nach Norm". In der Physik sind es 9,81 m/s². Die Normung im Bauwesen sagt aber, dass die Fallbeschleunigung mit 10,0 m/s² angenommen wird. Wer will schon mit so krummen Zahlenrechnen ;)

    Der Bauende soll nicht herumtasten und versuchen. Was stehen bleiben soll, muß recht stehen und wo nicht für die Ewigkeit doch für geraume Zeit genügen. Man mag doch immer Fehler begehen, bauen darf man keine. (Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre)


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