Neue Abstandsflächenregelung in Bayern für Bestandsgebäude

  • Hallo,


    2018 habe ich in Bayern ein Einfamilienhaus gemäß Bebauungsplan und den damals geltenden Abstandsflächenregelungen der BayBO gebaut. Zeitgleich hat mein Nachbar ebenfalls ein Einfamilienhaus gebaut. Seinen ursprüngliche Eingabeplan hatte ich unterschrieben und er wurde vom Landratsamt genehmigt. Sein daraufhin errichtetes Haus und seine Gestaltung der Außenflächen weichen aber in einigen Punkten erheblich vom ursprünglichen Eingabeplan und den damaligen Vorgaben der BayBO ab. Die Nichteinhaltung der damaligen Abstandsflächenregelung ist auch dem Landratsamt aufgefallen, weshalb mein Nachbar aufgefordert wurde einen korrigierten, genehmigungsfähigen Plan einzureichen. Dieser Prozess zog sich über Jahre bis jetzt in die Länge, was auf das Ausmaß des "Schwarzbaus" und seine fehlende Einsicht zurückzuführen ist. Beim korrigierten Plan hatte ich meine Unterschrift verweigert, weil einfach schon zu viel vorgefallen war und ich den Plan nicht für genehmigungsfähig hielt.

    Vergangene Woche wurde ich vom Landratsamt deshalb über die finale Genehmigung des korrigierten Eingabeplans informiert. Auf genauere Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass der Grund für die Gehemigung die kürzlich abgeschwächte Abstandsflächenregelung in der BayBO ist. Mit den neuen Regeln hält mein Nachbar die Abstandsflächen angeblich gerade so ein. Nun frage ich mich natürlich, ob die neuen Regelungen rückwirkend so einfach anwendbar sind. Ich habe mich dazu schonmal etwas eingelesen und bin auf folgende Passus gestoßen:

    Soweit bestehende Gebäude die für sich nach der Vorgängerfassung der BayBO geltenden Abstandsflächen einhalten, bestehen keine Besonderheiten. Bei etwaigen späteren abstandsflächenrelevanten Änderungen gilt das neue Abstandsflächenrecht mit der Maßgabe, dass der Gebäudebestand bestandsgeschützt ist.

    Genau genommen herrscht ja hier der Sonderfall, dass das bestehende Gebäude die für sich nach der Vorgängerfassung der BayBO geltenden Abstandsflächen nicht einhält. Also besteht hier im Umkehrschluss die besagte Besonderheit. Nur was hat diese Besonderheit für Auswirkungen? Dazu habe ich leider nirgends etwas gefunden.

    So realitätsfern wie das Landratsamt bei der Baugenehmigung von mir und anderen Nachbarn zum Teil argumentiert hat müssten sie eigentlich zu meinem Nachbarn sagen: "bau dein Gebäude auf einen gemäß Vorgängersatzung genehmigungsfähigen Stand zurück, und beantrage dann eine Änderung auf den jetzigen Stand".

    Ich vermute das Landratsamt war das zähe Hin und Her nach all den Jahren einfach leid und war froh, dass die Änderung der BayBO eine Möglichkeit geboten hat einen Haken hinter die Genehmigung zu setzen. Habe ich hier noch irgendwelche Möglichkeiten zumindest gegen die Punkte die mich direkt betreffen Einspruch einzulegen?

  • bin auf folgende Passus gestoßen

    Zitate ohne Quellenangabe führen zur Aberkennung des Doktortitels ;) .


    Also besteht hier im Umkehrschluss die besagte Besonderheit.

    Sehe ich nicht so. Bei Deinem Nachbarn ging es die letzten Jahre um die Legalisierung eines nicht genehmigten Bauvorhabens. Nachträgliche Legalisierungen müssen sich an das aktuelle Baurecht halten. Ausnahmen bestehen für bestimmte Sachverhalte im Planungsrecht, z.B. Anwendung von älteren Fassungen der BauNVO aufgrund von Überleitungsvorschriften oder Anwendung der Vollgeschossdefinition einer Landesbauordnung (LBO) zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplanes (BPlan).

    Habe ich hier noch irgendwelche Möglichkeiten

    In Bayern gibt es die deutschlandweit einzigartige Rechtsauffassung, dass die Anwendung der Abstandsflächenregelungen im BPlan aufgeführt sein muss, da ansonsten nur die festgesetzten Baugrenzen und -linien die Grenzabstände bestimmen. Wenn Eure Grundstücke also im Geltungsbereich eines rechtskräftigen BPlans liegen, der auf eine bestimmte Fassung der LBO verweist, könnte da was gehen. Vielleicht kann @Rose dazu was sagen. In NRW hätte Dein Nachbar jedenfalls mit seiner Verzögerungstaktik Erfolg.

    die Punkte die mich direkt betreffen

    Die da wären? Gibt es etwas, was es nicht gäbe, hätte Dein Nachbar erst dieses Jahr gebaut?

  • Normalerweise hat man mit den neuesten Vorschriften immer die A-Karte gezogen weil es plötzlich auch nach der neuesten Wärmedämmvorschrift etc gebaut werden muß. Das sind meistens heftige Zusatzkosten die dann kommen. Dein Nachbar hat wohl da jetzt Glück gehabt wenn die Regeln weniger streng geworden sind zu früher....

  • Das Zitat stammt aus den offiziellen Vollzugshinweisen:

    https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/baurechtundtechnik/24_baybo-vollzugshinweise_2021.pdf


    Den Hinweis mit der deutschlandweit einzigarten Rechtauffassung finde ich sehr interessant. In unserem Bebauungsplan wird sich nur auf die BayBO Artikel 81 bezogen, jedoch ohne Angabe einer konkreten Fassung/Revision. Dass die Abstandsflächen gemäß BayBO eingehalten werden müssen ist nirgends explizit aufgeführt, wurde vom Landratsamt aber so verlangt. Im Bebauungsplan finden sich nur Angaben zu den maximalen Wandhöhen. Baugrenzen-/linien gibt es auch keine.


    Mit "Punkte die mich direkt betreffen" meinte ich alles, was sich entlang unserer gemeinsamen Grundstücksgrenze abspielt. Was entlang der anderen Grundstücksgrenzen passiert ärgert mich vom Prinzip her zwar auch, tangiert mich aber nicht direkt. Ob das Haus nach der heutigen Abstandsflachenregelung genehmigungsfähig ist weiß ich nicht. Dazu müsste ich erstmal ins Landratsamt und mir die Pläne im Detail anschauen und mich mit den neuen Regelungen besser vertraut machen.

  • Dann sortier doch einfach mal die Informationen.

    Wir benötigen den B-Plan (incl. Begründung) und den Lageplan, wie es tatsächlich gebaut/genehmigt wurde.

    Verflucht sei, wer einen Blinden irren macht auf dem Wege!

    5.Mose 27:18

  • Baugrenzen-/linien gibt es auch keine.

    Dann handelt es sich um einen einfachen BPlan nach §30 Abs. 3 BauGB. Alles, was dort nicht festgesetzt ist, wird nach §34 BauGB beurteilt, so dass die bayerische Besonderheit hier offensichtlich nicht zum Tragen kommt.

  • Dann handelt es sich um einen einfachen BPlan nach §30 Abs. 3 BauGB. Alles, was dort nicht festgesetzt ist, wird nach §34 BauGB beurteilt, so dass die bayerische Besonderheit hier offensichtlich nicht zum Tragen kommt.

    Will heißen der Nachbar hat Glück gehabt, wenn das Haus den aktuellen Abstandsflächenvorschriften entspricht. Denn ausschlaggebend sind die zum Zeitpunkt der Genehmigung geltenden Vorschriften.


    Das mit der "Bayerischen Besonderheit" gibt es noch nicht ewig, so dass diese nur auf die neueren B-Pläne (wenn ich es richtig im Kopf habe ab 1994, das genaue Datum weiß ich jetzt nicht) anwendbar ist. Damit abweichende Abstandsflächentiefen zulässig sind, müssen alle AF-relevanten Festsetzungen des B-Plans eingehalten werden, insbesondere Baugrenzen und Festsetzungen zu Gebäudehöhe und Höhenlage.

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!