Statik: Neubau / Umbau / Rückbau tragender Bauteile oder: „Hält das so?“ / "Kann das weg?" / "Wie dick muss das sein?"

    • Offizieller Beitrag

    Die immer wieder zu gebenden Antworten auf die hier oft ähnlich gestellte Fragen rund um die Tragfähigkeit von neu-, um- oder rückzubauenden Bauteilen, lauten:

    1. Eine verbindliche / belastbare Aussage basiert immer auf der Analyse durch eine sachverständige Person (am sinnvollsten Bauing. oder Architektin, bei Bestandsbauten mit Erfahrung mit Altbauten), bei Neubauten immer auf einem rechnerischen Standsicherheitsnachweis ("Statik").
    2. Standsicherheitsnachweise erstellen freiberuflich tätige Tragwerksplaner / - planerinnen (offizielle Bezeichnung „beratende/r Ingenieur/in“) schriftlich gegen Honorar. Das Honorar kann nach HOAI abhängig von der Höhe der anrechenbaren Baukosten oder als Zeithonorar vereinbart werden. Bei Zeithonoraren kann näherungsweise grob von einem Stundensatz von rd. 100 € zzgl. Mwst. ausgegangen werden, ggf. zzgl. weiterer Nebenkosten. Nachweise zu einfachen Umbauten oder kleinen Erweiterungen bspw. von EFH bewegen sich dabei oft im Spektrum zwischen 1.000,- und 5.000,- machmal 10.000,- €. Eine Grenze nach oben gibt es aber naturgemäß nicht.
    3. Nach geltendem deutschem Recht haften sachkundige Planende auch ohne vertragliche Bindung und völlig unabhängig von einer möglichen Honorarzahlung für jede fachliche Aussage immer dann, wenn diese für die Handlungen oder Entscheidungen der Fragenden von erheblicher / ernsthafter Bedeutung ist. Und das ist nach geltender Rechtssprechung immer dann der Fall, wenn es um Gefahren für Leib und Leben der Fragenden oder Dritten oder um subjektiv „erhebliche Werte“ geht. Mind. eines davon ist im Bauwesen praktisch immer der Fall - ganz sicher aber, wenn es um Tragwerke geht. Wegen dieser Haftungsproblematik sind „schnelle“ bautechnische Bewertungen durch professionelle Sachkundige für diese immer ein großes Haftungsrisiko, da wesentliche Informationen auf die Schnelle oder über die Entfernung leicht untergehen können, Laien gegenüber aber die volle Haftung fast immer uneingeschränkt bestehen bleibt.
    4. Eine abschließende belastbare Aussage braucht eine gründliche Analyse, eine präzise Bewertung und fast immer auch eine oder mehrere Berechnungen. Die kosten Zeit und damit Geld, dieses Forum ist kostenlos - ein Widerspruch, der sich nur durch eine Beauftragung auflösen lässt.
    5. Im Bestand braucht es für belastbare Aussagen zur Standsicherheit fast immer zuerst eine Objektbesichtigung und die Sichtung bereits vorliegender alter Standsicherheitsnachweise und anderer Pläne (= statische Berechnungen / Nachweise, Elementpläne, Bewehrungspläne, Sparrenpläne etc.), ggf. Baugenehmigungen.

    6. Der Zeitaufwand für einen ersten Ortstermin zur Besichtigung eines Objekts sollte mit mind. einer Stunde zzgl. Fahrzeiten angenommen werden, eher mit zwei oder drei Stunden. Bei einem Stundensatz von rd. 100,- € zzgl. Mwst. kommen so meist einige hundert € zusammen, typischerweise zwei- bis vierhundert € für einen ersten Termin, manchmal 500,- €, nur selten erheblich mehr. Die Kosten sollten bereits vor bzw. bei der Terminvereinbarung geklärt und dann kurz schriftlich festgehalten werden. Manche Tragwerksplanerinnen oder -planer bieten derartige Beratung garnicht an, andere als Akquisitionsleistungen mitunter sogar kostenlos - vorher fragen hilft!
    7. Ferndiagnosen sind nicht möglich, auch nicht ausnahmsweise, auch nicht bei Dir. Manchmal sprechen Indizien für oder gegen eine naheliegende Annahme, egal ob hier im Forum oder draußen im echten Leben, aber auch dann gilt immer Punkt 1.!
    8. Qualifizierte „beratende Ingenieurinnen bzw. Ingenieure“, sie berechtigt sind, diese Berufsbezeichnung zu führen, lassen sich über die Suchfunktionen der Internetpräsenzen aller Landes-Ingenieurkammern bzw. -Baukammern in deren entsprechenden Listen öffentlich finden, bspw. hier:
      1. Baden-Württemberg
      2. Niedersachsen
      3. Nordrhein-Westfalen
      4. ...
    9. In allen Bundesländern in D sind abhängig von der Gebäudeklasse und der Komplexität des statischen Systems ggf. Prüfingenieure für Standsicherheitsnachweise für die Überprüfung des neuen statistischen Systems bzw. dessen rechnerischen Nachweises einzuschalten und für ihre Leistung separat zu bezahlen, in bestimmten Fällen auch solche für Brandschutz. Beides ist bei EFH sehr selten, bei MFH ab etwa 5 OG oder komplexen stat. Systemen eher die Regel.
    10. Bauliche Veränderungen an Gebäuden können in D z.B. bei Nutzungsänderungen oder bei Veränderungen tragender Bauteile genehmigungspflichtig sein. Solche Genehmigungen sind dann unabhängig von der Erstellung eines Standsicherheitsnachweises erforderlich. Im konkreten Fall kann hierzu zusätzlich die Konsultation einer Architektin oder eines Architekten sinnvoll sein, weil sich Tragwerksplanerinnen und -planer hiermit je nach ihrer Haupttätigkeit nicht unbedingt beschäftigen und auskennen.
    11. Oft kann hier im Forum sehr schnell geholfen werden, vorliegende statische Nachweise, auch etwas ältere oder historische, zu lesen, nachzuvollziehen und dann in wesentlichen Punkten zu verstehen, so wie Ansätze für Lösungen zu liefern. Diese ersetzen dann aber nie den rechnerischen Nachweis.

    (Für sinnvoll erscheinende Ergänzungen zu den o.g. Punkten - bpsw. weitere Suchseiten) bitte per Konversation direkt mit dem Verfasser oder der Moderation Kontakt aufnehmen!)

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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    6 Mal editiert, zuletzt von Skeptiker () aus folgendem Grund: 04/2025: Mehrfache Präzisierung „beratende Ingenieure“ , 09/2023: Punkte 3. und 4. ergänzt, weitere neu nummeriert, Titel geändert

  • Skeptiker

    Hat den Titel des Themas von „Statik: Bau / Umbau / Rückbau tragender Bauteile (Wände, Stützen, Decken) „Hält das so?““ zu „Statik: Neubau / Umbau / Rückbau tragender Bauteile (Wände, Stützen, Decken) „Hält das so?“ / "Wie dick muss das werden?"“ geändert.
  • Wie groß die Gefahren unsachgemäß ausgeführter Rückbauarbeiten sind, hat heute am Vormittag ein tragischer Unglücksfall im Berliner Stadtteil Zehlendorf gezeigt. Nach bisherigen Informationen ist beim Rückbau des Gebäudes, zumindest von Teilen des Gebäudes, die Giebelwand eines EFH eingestürzt und hat dabei eine Person unter sich begraben, welche dadurch getötet wurde, vermutlich ein Bauarbeiter. Die getötete Person konnte 4 Stunden nach dem Einsturz noch nicht geborgen werden, weil weiter Einsturzgefahr besteht.


    Ein Bauingenieur (?) der örtlichen Leitung des THW unterstützt die Berliner Feuerwehr beratend bei der Vorbereitung der Bergung, für welche diese anscheinend ihren Mobilkran bereitgestellt hat.

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


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  • Hier der Artikel dazu aus der Berliner Morgenpost, Zitat:


    "Der Nachbar hatte beobachtet, wie Arbeiten im Erdreich stattfanden, rund um das Haus sollte der Boden ausgeschachtet werden, wahrscheinlich um die Feuchtigkeit zu beseitigen. Dabei soll es zu einem sogenannten Grundbruch gekommen sein. Das bedeutet, dass durch das seitliche Abgraben des Bodens die Stabilität verloren ging. Das führte dann seiner Ansicht nach dazu, dass die Giebelwand herausbrach."


    Also wurden offensichtlich wieder einmal Fundamente freigelegt. Wieviel Blut muss eigentlich noch fließen wegen immer des gleichen Fehlers?

    __________________
    Gruß aus Oranienburg
    Thomas

  • Naja, es liest nicht jeder die Nachrichten aus allen Bundesländern, dass ein Haus zusammen gebrochen ist. Somit wird das Spiel munter weiter gehen.

    Du musst immer einen Plan haben. Denn wenn Du keinen hast, dann wirst Du Teil eines anderen Planes...

  • Bauen kann doch jeder. Zudem ist die Intelligenz des Materials meistens größer, als die Dummheit der Bauherren/Bauherrinnen.

    Verflucht sei, wer einen Blinden irren macht auf dem Wege!

    5.Mose 27:18

  • Ich habe da auch schon einige Baustellen gesehen, bei denen es mir die Haare aufgestellt hat. Zuletzt ein Spezialist, der in einem denkmalgeschützten Kuhstall den gesamten Boden tiefergelegt und dabei die Fundamente der Wände und der Gewölbesockel freigelegt hat. Darüber auf dem Tennenboden sollte kurz darauf die Heuernte eingebracht werden... :wall: :wall: :wall: Auf so eine Idee muss man erstmal kommen!


    Folge war die sofortige Sperrung des Gebäudes, dann eine statische Untersuchung und schließlich das Wiederanfüllen des Kuhstallbodens. Die hatten Glück, dass wir mit dem Denkmalamt vor Ort waren und das Schlamassel noch rechtzeitig gesehen haben.

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!

  • Als ich im letzten Jahr bei einer Kellerwandabdichtungssanierung auf abschnittsweisem Arbeiten bestand, kam vom BU der Einwand. Das ist aber teurer.

    Meine lapidare Antwort: Ja. Aber günstger als ein Neubau _MFH mit 6 WE :sleep:

    Meine Beiträge sind Meinungsäusserungen

  • Vermutlich stürzen zu selten Häuser ein, als dass solche Meldungen lehrreich wären.
    Wenn ich durch die Dörfer fahre, sehe ich ständig über die gesamte Hauslänge freigelegte Grundmauern. Wie es auf den Höfen weitergeht, kann man nicht sehen, da in der Börde straßenbegleitend gebaut wurde und die Einfahrten mit 3m hohen Holztoren verschlossen sind.


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  • Russisches Roulette. Beim Nachbar hats ja gehalten, also hält es... Tja...

    Du musst immer einen Plan haben. Denn wenn Du keinen hast, dann wirst Du Teil eines anderen Planes...

  • Russisches Roulette. Beim Nachbar hats ja gehalten, also hält es... Tja...

    Meine Bürgermeisterin (Bauing. und langjährige Bauamtsleiterin) rief mich von unterwegs wegen eine Brandruine an.

    "Da scheint sich der Giebel zu wölben."


    Ja klar. Ruine, offenes Dach, mehr als 10 Jahre bewittert - da ist Totalversagen angesagt.


    Mist. Der Abbruch würde ja was kosten.

    Alles in Ordnung.

    Verflucht sei, wer einen Blinden irren macht auf dem Wege!

    5.Mose 27:18

  • ...so einen Fall kenne ich auch. Erst bei der dritten, nachdrücklichen Mahnung wurde um das Gebäude ein Bauzaun aufgestellt (Wohnteil eines denkmalgeschützten Bauernhofs - der Stall ist zum Glück ganz abgebrannt).

    Mit der Abbruch erlaubnis hat es sehr pressiert - die haben wir auch schnell erteilt. Der Brand war im Februar und das Gebäude steht noch immer. Ich möchte nicht wissen, wie oft die Eigentümer trotz Verbot noch hineingehen.

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!

  • Skeptiker

    Hat den Titel des Themas von „Statik: Neubau / Umbau / Rückbau tragender Bauteile (Wände, Stützen, Decken) „Hält das so?“ / "Wie dick muss das werden?"“ zu „Statik: Neubau / Umbau / Rückbau tragender Bauteile oder: „Hält das so?“ / "Kann das weg?" / "Wie dick muss das sein?"“ geändert.