Ein praktischer Fall aus Sicht der Bauleitung
Bei einem Neubau wird im Keller ein schwimmender Estrich (weisse Wanne, PE-Folie, EPS als Trittschall- und Wärmedämmung, PE-Folie, Zementestrich) eingebaut. Der Keller enthält ausschließlich Technikräume (Hausanschlüsse, Heizungsanlage etc.) und Nutzerkeller, keine Aufenthaltsräume. Der Keller liegt unter der Rückstauebene und wird zukünftig über eine Kleinhebeanlage entwässert werden. Zwei Tage nach Einbau des Zementestrichs ist ein Handwaschbecken provisorisch über eine Tauchpumpe und ein Druckleitung an den öffentliche Mischwasserkanal angeschlossen.
Durch ein Starkregenereignis kommt es zum Rückstau aus dieser Mischwasserkanalisation. Was genau passiert, ist unklar. Sicher ist, das mehrere Kubikmeter Inhalt der Mischwasserkanalisation in den Keller laufen. Das Schmutzwasser füllt in dieser Zeit die Aufzugsunterfahrt randvoll und den gesamten Keller mindestens eine Handbreit hoch. Der zufällig anwesende Installateur verschließt das Leck an der Abwasserleitung / Druckleitung sofort und kümmert sich auch im Anschluß sofort darum, den Keller wieder auszupumpen. Eine Tauchpumpe und Druckleitung sind ja vor Ort vorhanden. Am nächsten Tag saugt der Installateur den Keller mit einem Nasssauger wieder von jeglichem flüssigen Wasser leer.
Die Schäden scheinen sich auf den ersten Blick in Grenzen zu halten. Der Estrich beginnt zu trocknen. Einige elektrische / elektronische Bauteile in der Aufzugsunterfahrt stehen vorübergehend unter Wasser und beginnen in der Folge teilweise zu korrodieren. Sie müssen ausgetauscht werden. Alle bis dahin beteiligten Personen sind sich einig: Der Estrich muss natürlich ausgetauscht werden, weil da das Schmutzwasser stand. Die Aussagen der Augenzeugen bzw. Nasenzeugen schwanken zwischen "stank erbärmlich" und "das war nur Regenwasser". Fäkaliengeruch ist mir nach einer Woche beim Ortstermin nicht mehr wahrnehmbar. Muss der Estrich ausgetauscht werden? Was sagt der verantwortliche Bauleiter des Bauherrn in Direktbeauftragubg? Er war selbst nicht dabei.
Wahrscheinlich würde eine Versicherung zahlen, weshalb also nicht gleich alles wieder herausreissen und neu einbauen lassen? Wie kann man diese Frage klären?
Der Bauleiter entnimmt eine Probe vom Wasser, das noch einmal in der Aufzugsunterfahrt zusammengelaufen ist und lässt es in einem unabhängigen Trinkwasserlabor untersuchen. Nach einer guten Woche liegt das Ergebnis vor: Das Wasser enthält 6 KBE Escheria coli / 100 ml und > 100 KBE Coliforme Bakterien / 1 ml (entsprechend > 10.000 KBE Coliforme Bakterien / 100 ml). Damit liegt es deutlich über den Grenzwerten von Trinkwasser und bei Badewasser würde vor dem Baden gewarnt (siehe hier). Der Laborleiter des analysierenden Labors wertet abschließend:
Zitat von LaborleiterDas Wasser ist mit Darmbakterien belastet. Ein direkter oder indirekter oraler Kontakt kann zu gesundheitlichen Problemen führen. Bei einer vollständigen Austrocknung des Bodenaufbaus werden den Bakterien die Lebensgrundlage entzogen, so daß ein Absterben stattfindet. Von einer Gefährdung der Nutzer der Räume kann dann nicht mehr ausgegangen werden.
Der frische Estrich bleibt also drin, zumal er mit einem pH-Wert von ca. 15 hoch alkalisch ist, also die Eigenschaften einer konzentrierten Seifenlauge hat.
Der Bauleiter hätte natürlich auch den Rück- und Neubau des Estrich zum Stundensatz begleiten können und hätte damit sicher mehr verdient. "Zahlt doch 'eh alles die Versicherung!", wie einige Beteiligte gleichgültig sagten. Der Zeitverzug hätte sich auf mind. 14 Tage belaufen, eher allerdings 21 Tage oder noch mehr.