ganz bewusst schreibe ich die Überschrift etwas provokativ.
Aber ich möchte hier ein Thema starten in der Hoffnung, dass wir Meinungen sammeln zur erforderlichen Luftdichtheit von Gebäuden.
Angeregt durch eine Diskussion in einem anderen Thread hier und einen Beitrag von Ralf Wortmann. Daher mag ich zunächst ein Statement von Ralf Wortmann zitieren und Stellung nehmen:
Die bautechnischen Experten hier im Forum mögen mich bitte korrigieren, wenn ich falsch liege, aber örtliche Leckagen in der Gebäudehülle sind einzeln für sich genommen meiner Ansicht nach auch dann ein Mangel, wenn der [definition=17,0]BDT[/definition] insgesamt bestanden wurde, sofern die Leckagen eine gewisse Erheblichkeit aufweisen. Oft wird die Strömungsintensität bei einem [definition=17,0]BDT[/definition] an solchen einzelnen Leckagepunkten gleich mit einem Hitzdrahtanemometer o.ä. gemessen, was aber wohl evtl. leider nicht der Fall war. Vielleicht fehlte auch die Zugänglichkeit.
dazu möchte ich ergänzen/erläutern:
Das Messen der Leckageluftgeschwindigkeit und das Abfotografieren der Anzeige des Messgeräts dient meines Erachtens ausschließlich dazu, zu dokumentieren dass sich dort auch tatsächlich Luft bewegt. Wäre ja ansonsten auf einem Foto nicht darstellbar.
Die Luftgeschwindigkeit selbst ist kein Indiz dafür, wie relevant die Leckage ist. Es gibt Fälle, wo 5m/s unproblematisch sind. Und Fälle, wo 0,5m/s kritisch sind.
Wie kritisch eine Leckage ist, hängt neben der Leckageluftgeschwindigkeit nämlich wesentlich von dem Querschnitt der Leckage ab. Wenn da ein handflächengroßes Loch ist, sind 0,5m/s u.U. schon sehr viel, bei einem 0,5mm-Tackerklammerloch sind 5m/s nicht viel.
ich habe schon heftige Diskussionen auf Baustelle erlebt, wo ein "Sachverständiger" eines Handwerkerverbands behauptet hat, 2m/s wären immer zulässig. Das habe ich ihm wie oben argumentiert widerlegt.
Und dann muss man für eine fachgerechte Beurteilung sich noch das Bauteil, welche die Leckage besitzt, ansehen: ein hochgradig feuchtekritisches Bauteil (beispielsweise beidseitig diffusionsdichtes Flachdach) ist selbst bei kleinen konvektiv eingetragenen Feuchtemengen u.U. schadensgefährdet, während ein nach außen sehr diffusionsoffenes Bauteil (wie z.B. ein Schrägdach mit außen diffusionsoffener Schicht) durchaus auch mal eine gewisse Leckage schadlos verkraften kann.
Gelegentlich wird (und auch ich verwende diesen Begriff gern) von der "Fehlertoleranz" des Bauteils gesprochen.
Ich meine, Fraunhofer (und damals auch z.B. der AKÖH) hat schon vor fast 20 Jahren gefordert, dass die Bauteile im Idealfall eine gewisse Austrocknungsreserve haben sollten, um konvektiven Feuchteeintrag aus unvermeidlichen Leckagen infolge bautypischer Unzulänglichkeiten schadlos zu überstehen.
Ich halte diesen Ansatz für gut, denn schließlich wissen wir: "nobody is perfect" - kleine Leckagen können immer wieder passieren und sind absolute Baurealität.
Ich sag gerne mal, dass wir solche Aufbauten wählen sollten, die ein durchschnittlich ausgebildeter, durchschnittlich motivierter Facharbeiter auch am Freitag mittag, kurz vor Feierabend noch sicher ausführen kann...
Wieder zurück: Um eine Leckage also wirklich bewerten zu können, braucht es also viel Erfahrung und Sachverstand. Manchmal auch das Bauchgefühl desjenigen, der mit eben jener Erfahrung und Sachverstand ausgestattet ist.
Ich befürchte, wir werden es nie berechnen können, welche Leckagen in Abhängigkeit vom Bauteiltyp zulässig sind.
Wie man dieses "Bauchgefühl" dann in einer Stellungnahme oder gar Gutachten darstellt, ist die nächste Kunst...
Die [definition=25,0]DIN[/definition] 4108 Teil 7 spricht nur davon, dass die Gebäudehülle dem Stand der Technik entsprechend luftdicht auszubilden ist. Könnte man so interpretieren, dass vermeidbare Leckagen nicht zulässig sind. Hieße aber im Umkehrschluss, dass man mit "nicht vermeidbaren Leckagen" leben muss... Baurealität eben.