Zum Beitrag Verfasst von: Fabian Hesse Veröffentlicht am: 4. Nov. 2024
Sehr geehrte Kollegen,
der Beitrag und die Umfrage zur Normung war durchaus interessant.
Zum letzten Absatz habe ich allerdings eine anderer Ansicht.
"Eine weitere Bestätigung des Wertes seiner Arbeit dürfte das Normungsinstitut in der mehrheitlichen Zustimmung (72,4 %) zur Aussage "DIN-Normen geben mir Planungssicherheit bei meiner Arbeit am Bau" sehen. Und auch die Tatsache, dass sich über Zweidrittel (69 %) nicht vorstellen können, ohne DIN-Normen zu bauen, spricht für das etablierte Normungssystem in Deutschland.
Zweifel an letzterem waren zuletzt vermehrt aufgekommen, nachdem der Europäische Gerichtshof im sogenannten "Malamud-Fall" bezüglich der grundsätzlichen Kostenfreiheit für die Einsicht in bestimmte harmonisierte Europäische Normen geurteilt hatte."
Aus meiner praktischen Erfahrung heraus möchte ich anmerken, dass die Normen oft verbindlich vorgeschrieben und in den Vorbemerkungen der LVs umfangreich aufgelistet werden, aber tatsächlich den ausführenden Planern und vor Allem den ausführenden Firmen gar nicht vorliegen, da oft nur große Ingenieurbüros oder Baufirmen einen vollen Zugang zu den Normen haben oder diese besitzen.
Das hat natürlich mit den sehr hohen Kosten für Einzelnormen zu tun. Beispiele dafür kennt wohl jeder hier aus eigener Erfahrung.
Hier gibt es eine Diskrepanz zwischen der formalen Bedeutung der Normen und ihrem praktischen Zugang für die Beteiligten.
Ein weiterer Punkt ist die fehlende Praxisnähe.
Viele der Normen sind sehr umfangreich und komplex. Selbst wenn sie zugänglich sind, fehlt es oft an Zeit und Ressourcen, diese vollständig zu durchdringen und in der Praxis anzuwenden.
Zudem haben nicht alle Beteiligten (z. B. Handwerksbetriebe) das Fachwissen, um Normen im Detail zu interpretieren, obwohl von ihnen verlangt wird, diese einzuhalten.
Dadurch wird häufig nur ein Bruchteil der Normen tatsächlich umgesetzt, da viele Beteiligte sich nur auf bekannte oder frei verfügbare Inhalte stützen.
Ein weiteres Manko findet sich bei der statischen Bemessung von Bauteilen.
Hier wird oft aufgrund von Unsicherheiten über die im letzten Detail richtige Anwendung der Norm oft noch ein persönlicher Sicherheitsfaktor angewendet um sich rechtlich abzusichern.
Das geht dann völlig in die entgegengesetzte Richtung der immer umfangreicher, komplexer und genauer werdenden Bemessungskonzepte (Der neue EC 5 ist bereits auf dem Weg)
Hier gibt es einen großen Widerspruch.
Es wird durch die Norm gefordert, einen wissenschaftlich fundierten und hochkomplexen Ansatz zu verwenden, den der Anwender teilweise nicht mehr versteht bzw. wo er den Rechenweg kaum noch nachvollziehen kann.
Auf der anderen Seite fehlt hier die Praxistauglichkeit, die Möglichkeit zur schnellen Anwendung.
Der Fachkräftemangel und die verkürzten Studienzeiten für Bauingenieure werden dabei völlig außer Acht gelassen! Man geht in den Normungsausschüssen offensichtlich eher davon aus, daß sich die Fachkräfte in gleichem Maße wie der Wissensstand vermehren. Dieser Ansatz sollte bei der Entwicklung neuer Normen auch mit berücksichtigt werden.
Man muß und sollte nicht in jedem Fall alles tun was möglich ist.
Oft ist auch hier Weniger Mehr!
Wie wäre es zum Beispiel mit praktischen Kurzfassungen die wieder auf "Das Wesentliche" heruntergebrochen werden? Eine Formel die man "auf dem Bierdeckel" ausrechnen kann? Ist das zu banal für unsere hochmoderne Welt - die kurz vor dem Kollaps steht?
Mich würde interessieren wie hier meine Kollegen darüber denken.
Vielen Dank!