Giebel-Orientierung als Einfügekriterium ohne Bebauungsplan

  • Liebe Bauexperten,


    ist die Giebel-Orientierung (also giebelständige versus traufständige Bauweise) ein Einfügekriterium für die Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens im Innenbereich, wenn kein Bebauungsplan vorliegt (oder falls ich mich falsch ausgedrückt habe, konkret dann, wenn BauGB §34 Anwendung findet)?


    Viele Grüße

    NightSky

  • ist die Giebel-Orientierung (also giebelständige versus traufständige Bauweise) ein Einfügekriterium für die Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens im Innenbereich, wenn kein Bebauungsplan vorliegt

    ja - aber nicht das einzige


    ich ziehe meine vorschnelle Aussage zurück! Sie ist falsch! Ich hatte als Entwerfer einen völlig falschen Ansatz ... SORRY!

    mit Gruß aus Berlin, der Skeptiker


    Der Betreiberverein dieses Forums freut sich über Spenden von Fragenden, denen hier kostenlos geholfen wurde. Kurze Wege führen über Paypal oder eine Banküberweisung. Beiträge und Beitragsteile als Moderator ab 04/23 kursiv gesetzt.

    Einmal editiert, zuletzt von Skeptiker ()

  • Falls es keine Satzung gibt, dann entscheidet die Gemeinde im Einzelfall, was sie unter "muss sich in die Umgebung einfügen" versteht.

    Die Orientierung des Gebäudes ist m.W. ein wichtiges Kriterium, zumindest bei uns darf man trotz fehlendem BPlan und Satzung das Gebäude nicht willkürlich auf dem Grundstück platzieren. Neue Gebäude müssen mit der Traufseite parallel zur Straße angeordnet sein, weil bis auf wenige Ausnahmen (landwirschaftliche Gebäude, U-Form mit großem Hof) alle Gebäude so angeordnet sind. Für Gebäude in zweiter Reihe gilt diese Vorgabe nicht.


    Ich könnte mir vorstellen, dass das bei Euch auch nicht anders ist.

    Der Betreiberverein dieses Forums freut sich über Spenden von Fragestellern, die hier kostenlos Hilfe bekommen haben. Kurze Wege führen über Paypal oder eine Banküberweisung

    .

  • Naja....kommt darauf an.....


    Sind in der Straße alle Häuser giebelständig und dir gelüstet es danach dein Haus traufständig ausführen zu lassen, dann wird es natürlich schwierig. Sind aber (beispielsweise) 40 % giebelständig und 60 % traufständig, sieht es natürlich wieder ganz anders aus.


    Vielleicht wärst Du so nett und mit etwas mehr Informationen zu füttern?

  • Normalerweise nein. Aber wie so oft kommt es drauf an...


    Kannst Du Mal beschreiben, wie die umgebende Bebauung aussieht oder - noch besser - einen Lageplan mit Angabe der Firstrichtungen einstellen?

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!

  • Falls es keine Satzung gibt, dann entscheidet die Gemeinde im Einzelfall, was sie unter "muss sich in die Umgebung einfügen" versteht.

    sorry, ich muss konkretisieren: die Genehmigungsbehörde entscheidet.

    In der Regel sind kleine Gemeinden nicht Genehmigungsbehörde, sondern erteilen i.d.R. das "gemeindliche Einvernehmen". Abschließende Genehmigungshoheit hat aber die Baugenehmigungsbehörde. Das ist nicht grundsätzlich etwas Problematisches (kann sogar vorteilhaft sein), aber ist einfach zu berücksichtigen

  • ist die Giebel-Orientierung (also giebelständige versus traufständige Bauweise) ein Einfügekriterium für die Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens im Innenbereich, wenn kein Bebauungsplan vorliegt (oder falls ich mich falsch ausgedrückt habe, konkret dann, wenn BauGB §34 Anwendung findet)?

    Das wäre ja noch schöner. Dann könnte man ja aus allen von...bis erfüllten Parametern der Umgebungsbebauung einen virtuellen Bebauungsplan destillieren. Konkret für die Giebel- oder Traufständigkeit bei ansonsten "§34 Zuständen" würde ich erwarten, daß die Gemeinde sich mindestens die angemessene Mühe einer Gestaltungssatzung macht, wenn sie solche Aspekte in das Einfügungsgebot inkludieren möchte. Andernfalls zöge ich vor den Kadi, wenn es als Ablehnungsgrund herangezogen würde. Wenn eine Variante in "nur 74%" oder gar "nur 65%" der Hauptgebäude der Umgebung vorläge, würde ich noch einen Anspruch auf Genehmigung auch der Minderheitsvariante daraus ableiten. Wollte ich das achte zwischen sieben gleich orientierten Häusern bauen, bejahte ich hingegen, es in das Einfügungsgebot einzubeziehen.


    Bebauungspläne aufzustellen, ist aufwendig, und Gemeinden haben meist einen leeren Geldspeicher. Darin sehe ich aber keinen Freibrief, das Einfügungsgebot als Universalverbotskeule einzusetzen. Ich lege das Gebot des angemessenen Verwaltungshandelns so aus, daß der Gemeinde zumindest der Erlaß einer Gestaltungssatzung zuzumuten ist, wenn sie einen Fluchtlinienplan oder eine Trauf- bzw. Giebelständigkeitsüblichkeit gesichert wissen will.

  • Ich hatte jetzt ein wenig Zeit zu recherchieren. Danach ist die Firstrichtung kein Kriterium für das Einfügen. Die Dachform ist ja auch keines, das hat das BVerwG bereits vor längerem entschieden.

    In einzelnen Fällen kann allerdings die Gebäudeausrichtung ein Thema sein.

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!

  • Danach ist die Firstrichtung kein Kriterium für das Einfügen.

    Bin da nicht so sicher. Wenn zB giebelständige Häuser ortsbildprägend sind, dann würde ein traufständiges Haus schon störend wirken. Andererseits kann man dafür ja auch eine Gestaltungssatzung erlassen. Habe aber das Gefühl, dass uns das Thema mehr interessiert als den TE....

  • Bin da nicht so sicher. Wenn zB giebelständige Häuser ortsbildprägend sind, dann würde ein traufständiges Haus schon störend wirken.

    Das Ortsbild ist aber ein eigener Belang und kein Einfügekriterium.

    Habe aber das Gefühl, dass uns das Thema mehr interessiert als den TE....

    Macht nix. ist trotzdem interessant. 😉

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!

  • Bitte entschuldigt die Abwesenheit.


    Vielen Dank für die Diskussion, das ist wirklich alles hochgradig interessant. Ich habe bei meinen Recherchen im Internet bisher nix Explizites zu dem Thema gefunden, deshalb hoffe ich, dass auch andere von so einer konkreten Frage profitieren. Mein Planer hat meinen Vorschlag mit der Giebelständigkeit gleich verworfen, dabei scheint das echt eine Option für meine Anforderungen zu sein.


    Habe mich fast nicht getraut zu fragen, welches Einfügekriterium die Firstorientierung denn verletzen soll (Maß/Art/Fläche), aber ja, es macht Sinn, dass das allenfalls nicht mit dem Ortsbild vereinbar sein könnte.


    Was mich betrifft: Zwar ist die nähere bauliche Umgebung tatsächlich ausschließlich traufständig. Der kleine Ort besteht aber nur aus 3-4 Straßen und ist stark traufständig. Direkt bei der einzigen Ortseinfahrt befinden sich allerdings einige giebelständige Häuser, sonst Bauernhöfe mit Giebel so-mal-so und ein bisschen was Heterogenes (Stadtvilla neben Grundstück voller Fertiggaragen) auf dem Weg zum zu bebauenden Grundstück.


    Ich denke, damit hätte man vielleicht eine Basis, um in einer Bauvoranfrage zu argumentieren, dass man das Ortsbild nicht so grauenhaft verschandle bzw. dass es sich bei dem Ortsbild um kein schützenswertes Architekturjuwel handelt, das unwiderbringlich verloren geht.

  • Nach der Beschreibung würde ich auch davon ausgehen, dass hier das Ortsbild durch eine andere Firstrichtung nicht beeinträchtigt wird.

    Wenn Du sowieso einen Vorbescheidsantrag stellen möchtest, kannst Du im Zweifel auch zwei Alternativen prüfen lassen.

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!

  • Mein Planer hat meinen Vorschlag mit der Giebelständigkeit gleich verworfen, dabei scheint das echt eine Option für meine Anforderungen zu sein.

    Dann erläutere das doch mal. Was ist das für ein Planer (Architekt ohne Anführungszeichen ./. Bauantragszeichner), und was sind die Argumente seines Verwerfens ?


    Je heterogener die Umgebung, desto "glitschiger" (aber auch dehnbarer) das Einfügungsgebot, und entsprechend ratsamer/gebotener auch die Bauvoranfrage.

  • Je heterogener die Umgebung, desto "glitschiger" (aber auch dehnbarer) das Einfügungsgebot, und entsprechend ratsamer/gebotener auch die Bauvoranfrage.

    Wie schon geschrieben - die Firstrichtung ist kein Einfügekriterium (ebenso wie die Dachform), es kann allenfalls um das Ortsbild gehen. Und das ist nach der Beschreibung des TE wohl nicht sehr besonders.

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!

  • es kann allenfalls um das Ortsbild gehen.

    ...dann würde ich eine "Ortsbildsatzung" oder "Gestaltungssatzung" erwarten. Das hätte dann aber nichts mit §34 zu tun, sondern müsste separat behandelt werden.


    Mir ist auch nicht ganz klar worauf der Planer abstellt. Vielleicht passt bei seiner Entwurfsidee einfach ein traufständiges Haus besser? Oder anders gefragt: Was ist denn geplant? Zum jetzigen Zeitpunkt hat man ja noch das ganze Füllhorn planerischer Möglichkeiten zur Hand. Vom Satteldach, Pultdach, Walmdach, Flachdach,....alles ist noch möglich. Nun fragt sich natürlich auch, was für eine Dachform in diesem speziellen Falle "die Richtige" ist. Richtig in Bezug auf Eure Nutzung, die Gestaltung des Gebäudes und -auch- dem Gesamtbild der Umgebung (unabhängig von irgendwelchen §, sondern auch um hier ein harmonisches ganzes zu bewirken).


    Ich kann derzeit nicht erkennen inwieweit in dieser Planungsphase die Entscheidung "traufständig vs. giebelständig" ergebnis-/ entwurfsrelevant ist.

  • Dann erläutere das doch mal. Was ist das für ein Planer (Architekt ohne Anführungszeichen ./. Bauantragszeichner), und was sind die Argumente seines Verwerfens ?

    Architekt ohne Anführungszeichen, der mit mir direkt in vertraglichem Verhältnis steht. Wir haben das nicht näher diskutiert, ich habe es nur am Rand erwähnt. Aber ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, wielleicht würde das große Ganze der Einfügeproblematik hier mal am Wochenende im Forum schildern (nachdem ich nochmal feedback von meinem Architekten geholt habe). Wäre es der Moderation lieber, das in einem seperaten Thread zu tun (in dem es vielleicht nicht primär um Firstorientierungen geht)?


    Rose24 Könntest Du eine Referenz zum Gerichtsurteil oder Kennzeichen des Gerichtsurteils oder deiner Quelle posten, damit man das im Detail nachlesen könnte?


    Ich versuche nochmal zusammenzufassen: Was Firstorientierung, Einfügung und Ortsbild betrifft, ist mein Verständnis, das ich mir als Laie in ein paar Abenden erarbeitet habe, das folgende:


    Der BauGB §34 Abs. 1 sagt:

    Zitat

    Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden

    Wenn es um Wandhöhen, Firstorientierung oder auch Dachneigung geht, dann könnten diese Punkte bei der Einfügung, wenn überhaupt unter 'Maß der baulichen Nutzung' geregelt sein.


    Ich glaube irgendwo gelesen zu haben, dass was unter "Maß der baulichen Nutzung" zu verstehen ist in BauNVO, Abschnitt 2 (§16 - §21) definiert sei. Da geht es natürlich um Vollgeschosse, GRZ, GFZ, BMZ und so weiter, aber das was wahrscheinlich am meisten für Kontroverse sorgt (wenn man zB ein normales EFH bauen will), ist die "Höhe der baulichen Anlagen" für die in einem Bebauungsplan ein Minimum und Maximum gesetzt werden könnte. Und darunter fallen Firsthöhe und Außenwandhöhe. In ganzen Abschnitt steht nix von Dachneigung oder Firstorientierung und das deckt sich ja mit dem hier Beschriebenen und entsprechenden Gerichtsurteilen. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass so lange die Grundfläche nicht zu groß/klein wird, wären auch Länge und Breite der Grundfläche kein Einfügekriterium (man kann sich also super mit einem 20 m x 1m-Haus einfügen). Wie gesagt, ich weiß nicht, ob wirklich die BauNVO maßgeblich ist, aber wenn "Maß der baulichen Nutzung" nirgends definiert wäre, könnte damit ja so ziemlich jedes Maß gemeint sein (Dachüberstand, Maße eines Fensters, etc.).


    Also Einfügung in die nähere bauliche Umgebung ist das eine, das Ortsbild ist das andere. Das Ortsbild bezieht sich auf einen größeren maßstabsbildenen Bereich (nicht die nähere Umgebung). Weiterhin muss das Ortsbild auch wirklich "schützenswert" sein. Überspitzt gesagt stelle ich mir darunter vor, dass wenn ich mir an einem Marktplatz mit ausschließlich giebelständigen hohen Bauten ein Grundstück kaufe und dort ein traufständiges Haus hinbaue, dann verletzt das ein schützenswertes Ortsbild. Oder wenn ich das einzige Flachdach in einem Ort voller Satteldächer bauen will.

  • Bei unserem Haus war die Dachform tatsächlich ein Kriterium für den Stadtbaumeisters der mega auf fränkisches Steildach (am liebsten mind. 50° und max 50cm Kniestock) abfuhr und Flachdächer total doof fand. Unseres (Flachdach) wollte er zunächst so nicht genehmigen. Zum Glück konnte ich mit ausreichend Gegenbeispielen argumentieren, die aber tatsächlich in der näheren Umgebung vorhanden waren.

    Somit musste er (zähneknirschend) unser Gebäude zulassen.

    Nothing is forever, except death, taxes and bad design


    Der Betreiberverein dieses Forums freut sich über Spenden von Fragenden, denen hier kostenlos geholfen wurde. Kurze Wege führen über Paypal oder eine Banküberweisung


  • Meine Quelle waren verschiedene Kommentarstellen. Ich habe einfach in beck online gestöbert. Dass die Dachform nicht relevant ist für das Einfügen weiß ich, weil wir so einen Fall bis zum Bundesverwaltungsgericht gebracht haben. Die Firstrichtung hat mit dem Maß der baulichen Nutzung und den anderen Merkmalen des Einfügens nichts zu tun, das ergibt sich im Prizip schon aus dem Gesetzestext. Ich habe nach Urteilen dazu gesucht aber keine passenden gefunden.


    Beim Maß der Nutzung sind im Innnenbereich (§ 34 BauGB) vor allem die äußeren Abmessungen relevant, als da wären Wandhöhe, Firsthöhe, Länge, Breite und Grundfläche. Rosinenpicken ist nach einigen neueren Urteilen nicht mehr zulässig, das heißt die Grundfläche muss immer mit betrachtet werden. Dein Beispiel mit 20 m x 1 m geht somit fehl. Was nicht relevant ist sind Verhältniszahlen, wie GFZ, GRZ usw. Auch spielt es keine Rolle ob das DG ein Vollgeschoss ist oder nicht.

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!

  • Danke für deine Ausführungen. Die Äußerung, dass "Rosinenpicken" nicht geht, ist mir auch schon mal unter gekommen. Eine andere Maxime, die ich von der Genehmigungsbehörde schon mal gehört habe: "ein Gebäude muss ins andere reinpassen", das deckt sich mit der Grundflächenanforderung. Und das ergibt ja auch Sinn, um 20x1-Gebäude zu vermeiden. :)


    Die Irrelevanz von Verhältniszahlen und Voll-Geschossanzahl überrascht mich aber doch. In der BauNVO stehen diese Kriterien ja auch in unter "Maß der baulichen Nutzung". Ich hatte ja angenommen "Maß der baulichen Nutzung" aus dem §34 bezieht sich auf die Definition der BauNVO. Den Zusammenhang habe ich anscheinend tatsächlich in dem Wikipedia-Artikel "Maß der baulichen Nutzung" gesehen. Der ist allerdings sehr schwachbrüstig, was Quellen betrifft...

  • Die BauNVO ist vor allem für die Bauleitplanung ausschlaggebend. Man kann und muss sie z.T. für den Innenbereich heranziehen, jedoch kommt es beim Maß der baulichen Nutzung im Innenbereich nur auf das an, was man von außen auch wahrnehmen kann. Und da sieht man eben z.B. nicht, ob das Dachgeschoss schon ein Vollgeschoss ist oder ob es knapp darunter liegt. Gerade wenn Dachaufbauten vorhanden sind, kann das eine ziemliche Rechnerei sein.

    Gefährlich ist's, wenn Dumme fleißig werden!