Sprengung Pipeline, dazu sollte man sich ein paar grundlegende Gedanken machen in dem Dreieck UKR - RUS - USA und ein paar grundlegende Fakten als Basis anerkennen. Vielleicht kann man sich auf folgende Fakten einigen:
1. Zum Zeitpunkt der Sprengung dauerte der Krieg, bzw. die Vollinvasion bereits einige Monate
2. Es zeichnete sich ab, dass die aus der operativen Kriegsführung der ersten Tage ableitbaren Kriegsziele Russlands nicht erreicht wurden.
3. Die Pipeline war im Zeitpunkt der Sprengung nicht im Betrieb
4. Im Seegebiet der Sprengung waren in den Monaten bis zur Sprengung NATO-Verbände unterwegs, russische Schiffe und eine Privatyacht.
5. Die vollständige Sprengung eines unterseeischen Bauwerks in ca. 80m Tiefe erfordert Planung, Logistik und, da es ein feindlicher Akt ist, auch ein erhebliches Maß an Geheimhaltung
6. Es war im Zeitpunkt der Sprengung klar, dass Deutschland (sowohl in der öffentlichen Meinung als auch durch die Regierung) diesen Akt mindestens als unfreundlich, wenn nicht feindlich wahrnehmen würde.
7. Die USA haben schon vor Bau immer gegen die Pipeline, wie auch im übrigen die osteuropäischen Staaten Polen, Estland, Lettland und Litauen.
Ausgehend davon kann man sich Motiv und Gelegenheit der drei Parteien anschauen und daraufhin überprüfen, ob es da Übereinstimmungen gibt. Ab hier beginnt also der spekulativ/analytische Teil, in dem man sich fragt, wer könnte es gewesen sein, ohne dass man jedoch mit Sicherheit sagen kann, wer es gewesen ist. Es handelt sich daher um meine persönliche Überzeugung (ich teile mal den Post in 2 Teile auf, weil sonst zu lang).
I. zu den USA: Für die USA kam die Vollinvasion der UKR höchst ungelegen. Nach einer langen Corona-Zeit sollte es bergauf gehen und keine weitere Destabilisierung des Weltordnungssystems geben. Unter Obama hatte man bereits den Schwenk vollzogen, den ich mal "Pacific-First" nennen will und der in etwa sagt: Die USA kümmern sich um den Pazifikraum und insbesondere den großen Rivalen China und die Europäer kümmern sich bitte um ihren eigenen Mist im Rahmen der NATO und stocken Ihre Budget entsprechend der eingegangenen Verpflichtungen auf (Was ja bekanntlich nicht passierte). Mit der Vollinvasion hat Russland allerdings etwas gemacht, was im Grunde nach in Europa seit 1945 völlig unerhört war, es hat einen Nachbaren angegriffen mit dem explizit formulierten Kriegsziel, dessen staatliche Institutionen zu zerschlagen und sein Territorium zu erobern. Entsprechend mussten die Europäer und Amerikaner dagegen halten, denn ein Erfolg hätte einen Dammbruch der internationalen Ordnung bedeutet. Deutlich beobachtbar war in der Folge, dass die NATO in Ihrer Existenzgrundlage gestärkt wurde und sich territorial durch schlagkräftige neue Bündnispartner erweitert hat. Deutschland spielt dabei eine existenzielle Rolle - zum einen da Deutschland in Punkto Militär- und Finanzhilfe der wichtigste europäische Partner der UKR wurde, zum anderen weil die NATO-Doktrin in Punkto Landstreitkräfte stark von der Bundeswehr abhängt. In einer Zeit, wo die USA sich eigentlich mehr dem Pazifik zuwenden wollen, weil sie China (vermutlich zu Recht) langfristig als größere Bedrohung wahrnehmen, wird Deutschland also neben Großbritannien einer der, wenn nicht der wichtigste NATO-Partner in Europa. Und es zeichnet sich ab, dass dies auf absehbare Zeit auch so bleiben wird.
Und jetzt wird die Pipeline gesprengt. Natürlich waren die USA immer dagegen. Und sie hatten sicherlich auch die Mittel um eine so komplexe Operation durchzuführen, wobei unklar ist, wie konkret ohne die Einbindung weiterer NATO-Partner das gehen sollte; insbesondere da Dänemark sehr leistungsstarke Seeüberwachungsstationen auf Bornholm betreibt (wer schon mal auf der Insel war, kennt diese großen Radarstationen, wo man nicht fotografieren darf). Aber warum sollten die USA in einer Situation, wo sie mehr denn je auf die Unterstützung von Deutschland angewiesen sind und endlich die NATO in Europa, und insbesondere Deutschland, seine Rüstungsversprechen ernst nimmt, einen solchen feindlichen Akt durchführen? Gas fließt nicht durch und Deutschland hat sich in dem Konflikt klar positioniert. Die Nachteile durch ein Kippen der öffentlichen Meinung überwiegen jeden Vorteil abgesehen davon, dass man Unruhe in ein Bündnis bringt, das gerade durch einen äußeren Feind im inneren Zusammenhalt gestärkt wurde.
II. zur Ukraine: Die Ukraine kämpft einen existenziellen Abwehrkampf - verliert sie, nimmt sich Russland ihr Territorium, verschleppt die Bevölkerung und bringt die politische Opposition um. Das sind die beobachtbaren Fakten aus den besetzten Gebieten. Aus Sicht der Ukraine begann der Krieg 2014 durch die Besetzung der Krim und den Einsatz russischer Truppen in den sog. Separatistenrepubliken. Deutschland war in Sachen Unterstützung immer ein unsicherer Kantonist - das russische Gas war so verlockend billig, dass man bis zur Vollinvasion im Grunde jede substantielle Unterstützung der Ukraine abgelehnt hat. Es liegt nahe, eine Strategie zu überlegen, die Nadel an der der Gasjunkie hängt, trocken zu legen. Das Motiv ist da - einerseits. Andererseits vollzieht Deutschland mit der Vollinvasion eine deutliche politische Wende (Zeitenwende); es wird Kriegsmaterial geliefert (zu wenig, zu spät sagen die Kritiker, sicher auch zu recht) und zwar in vorher unvorstellbaren Mengen. In Sachen Material zeigt sich, dass die NATO-Bestände der Europäer, was die Landstreitkräfte betrifft, aus denen nun geliefert wird, in erheblichen Ausmaße mit der deutschen Rüstungsindustrie und der Bundeswehr verwebt sind. Dementsprechend wird Deutschland binnen Wochen nach den USA und gemeinsam mit Großbritannien zum wichtigsten Geld und Waffenlieferanten der Ukraine währen die deutsch-russischen Beziehungen nach dem abrupten Strömungsabriss im freien Fall trudeln. Und damit ändert sich das Kalkül der Ukraine - was 2021 noch wie ein guter Plan erscheinen mag, ist plötzlich sehr riskant. Denn ohne westliche Waffen, kann die Ukraine den Krieg nicht nur nicht gewinnen, sondern sie verliert wahrscheinlich. Und da ist es wenig opportun einen der wichtigsten europäischen Verbündeten anzugreifen.
Zumal man es noch nicht einmal wirklich heimlich tun kann: Anders als die USA und Russland verfügt die Ukraine über keinerlei Marinekräfte in der Ostsee und auch über keinen direkten Seezugang. Alle Planung, Sprengstoffbeschaffung und Durchführung muss abgeschnitten von jeder Art von Heimathafen, unter den Augen massiver NATO-Überwachung und gegen die feindlichen russischen Seestreitkräfte in der Ostsee durchgeführt werden. Man muss also irgendwie ca. 2 Tonnen Sprengstoff durch Deutschland und Polen transportieren, diesen in einem Hafen auf eine private Yacht verlanden um dann diesen Sprengstoff zur Sprengstelle zu transportieren, dort ohne schweres Unterseegerät nur mit Tauchern in ca. 80m Tiefe verbringen, fachgerecht anbringen, zur Detonation bringen und unerkannt entkommen. Da der politische Schaden bei Entdeckung erheblich ist, muss das ganze ohne Zurücklassen offensichtlicher Spuren geschehen.